Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsklausel
Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit der Pflichtteilsklausel eines gemeinschaftlichen Testaments, wenn die Ehegatten ihre Kinder aus früheren Ehen zu Schlußerben einsetzen und nur ein Ehepartner vermögend ist.
Normenkette
BGB §§ 2269, 2303, 2075, 134, 138
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 16. August 1993 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 3 hat die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die im Jahr 1992 verstorbene Erblasserin war zweimal verheiratet. Aus ihrer ersten, durch den Tod des Ehemanns im Jahr 1944 aufgelösten Ehe sind die Beteiligten zu 1 und 2 hervorgegangen. Ihr zweiter Ehemann, mit dem sie seit 1956 kinderlos verheiratet gewesen war, ist 1976 vorverstorben. Dessen Töchter aus seiner ersten, im Jahr 1953 geschiedenen Ehe sind die Beteiligten zu 3 und 4.
Die Erblasserin hat mit ihrem zweiten Ehemann zu notarieller Urkunde vom 1.4.1966 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Dessen Abschnitt II lautet:
Wir setzen uns hiermit im Wege des gemeinschaftlichen Testaments gegenseitig zu einzigen und ausschließlichen Erben ein.
Zu Erben des Längerlebenden von uns bestimmen wir meine, des Ehemanns, Kinder aus erster Ehe und meine, der Ehefrau, Kinder aus erster Ehe zu unter sich gleichen Bruchteilen. …
Pflichtteilsberechtigte des Zuerstversterbenden von uns erhalten auf Verlangen lediglich den gesetzlichen Pflichtteil als Vermächtnis. Es ist jedoch unser Wunsch, daß Pflichtteilsansprüche erst beim Tode des Längerlebenden von uns geltend gemacht werden. Wer von unseren Kindern bezw. Stiefkindern diesem Wunsche zuwiderhandelt, soll auch beim Tode des Längerlebenden von uns nur seinen gesetzlichen Pflichtteil bezw. nichts mehr erhalten.
Bei der Testamentseröffnung nach dem Tod des Ehemanns waren die Beteiligten zu 3 und 4 anwesend. Beide haben in der Folgezeit mit der Erblasserin wegen Pflichtteilsansprüchen verhandelt und jeweils Zahlungen von rund 140 000 DM erhalten.
Nach dem Tod der Erblasserin haben die Beteiligten zu 1 und 2 beim Nachlaßgericht einen Erbschein beantragt, wonach sie je zur Hälfte Erben ihrer Mutter geworden seien. Sie haben die Ansicht vertreten, die Beteiligten zu 3 und 4 hätten nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht und seien deshalb von der Erbfolge ausgeschlossen. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben entgegnet, die Pflichtteilsklausel sei unwirksam und sie seien zu je 1/4 Miterben geworden. Das Vermögen der Eheleute stamme im wesentlichen von ihrem Vater. Nach seinem Tod hätten sie den Pflichtteil verlangen müssen, um sicherzustellen, daß sie überhaupt etwas aus dem Nachlaß erhielten.
Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 3.3.1993 die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 angekündigt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluß vom 16.8.1993 zurückgewiesen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3, der die Beteiligten zu 1 und 2 entgegentreten. Die Beteiligte zu 4 hat sich nicht geäußert.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Beschwerde gegen den Vorbescheid des Nachlaßgerichts sei statthaft, innerhalb der gesetzten Frist eingelegt und auch im übrigen zulässig. Das Nachlaßgericht habe zu Recht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Vorbescheid zu erlassen. Dieser sei auch inhaltlich zutreffend. Die Erblasserin sei aufgrund des Testaments vom 1.4.1966 von den Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte beerbt worden. Die Beteiligten zu 3 und 4 hätten ihr Erbrecht als Schlußerben dadurch verwirkt, daß sie nach dem Tod ihres Vaters den Pflichtteil in Anspruch genommen hätten. Eine Klausel, wie sie das gemeinschaftliche Testament vom 1.4.1966 enthalte, sei grundsätzlich wirksam. Ihrer Wirksamkeit stünde es nicht entgegen, wenn das Nachlaßvermögen allein vom vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin stammte. Die Beschwerdeführerin verkenne die „bis an die Grenze zur Sittenwidrigkeit reichende” Testierfreiheit des Erblassers. Sie wäre auch dann auf den Pflichtteil beschränkt gewesen, wenn die Testierenden von vornherein nur die Beteiligten zu 1 und 2 als Schlußerben eingesetzt hätten. Stattdessen hätten die Ehegatten die Einsetzung der Schlußerben nur davon abhängig gemacht, daß diese die Regelung des ersten Erbfalls hinnähmen.
Es treffe nicht zu, daß den Beteiligten zu 3 und 4 nach dem ersten Erbfall keine Wahl geblieben sei. Gerade weil sie nicht die Gewähr gehabt hätten, daß das von ihrem Vater hinterlassene Vermögen nach dem Tod seiner Ehefrau noch vorhanden sein würde, hätten sie abwägen müssen zwischen dem Pflichtteilsanspruch nach ihrem Vater und dem quotenmäßig höheren, im Hinblick auf einen Verbrauch des Vermögens aber vielleicht doch geringerwertigen Erbteil nach ihrer Stiefmutter. In Ausübung dieses Wahlrech...