Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung. Revision. Berufungsbeschränkung. Rechtsfolgenausspruch. Einzelfreiheitsstrafe. Gesamtfreiheitsstrafe. Sachrüge. Urteilsgründe. Gesamtschau. Persönlichkeitsstörung. narzisstisch. Störungsbild. unspezifisch. dissozial. Schuldfähigkeit. Einsichtsfähigkeit. Steuerungsfähigkeit. Erörterungsmangel. Zwang. unwiderstehlich. Symptome. Auffälligkeit. Ausprägungsgrad. Tatausführung. Strafrahmen. Strafzumessungsregel. Regelbeispiel. Gewerbsmäßigkeit. gewerbsmäßig. doppelrelevant
Normenkette
StGB §§ 20-21, 263 Abs. 1, 3 S. 2 Nr. 1; StPO § 267 Abs. 2, §§ 318, 327, 333, 337, 341 Abs. 1, §§ 344-345, 349 Abs. 4, §§ 353, 354 Abs. 2 S. 1
Tenor
I.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 22.07.2021 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Wegen Betrugs in zwei Fällen verurteilte das Amtsgericht - Schöffengericht - die Angeklagte am 07.07.2020 zu einer aus Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren zusammengesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und ordnete die Einziehung von Wertersatz an. Auf die hiergegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 22.07.2021 das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Anordnung der Einziehung von Wertersatz in Wegfall kommt; die weitergehende Berufung der Angeklagten und die - in der Berufungshauptverhandlung ebenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Berufung der Staatsanwaltschaft hat es jeweils als unbegründet verworfen. Gegen das Berufungsurteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
Die aufgrund der nach § 318 StPO wirksamen beiderseitigen Berufungsbeschränkungen nur noch den Strafausspruch betreffende statthafte (§ 333 StPO) und auch sonst zulässige (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) Revision führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil die Strafzumessungserwägungen in mehrfacher Hinsicht an sachlich-rechtlichen Fehlern leiden.
1. Bereits die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme der vollen Schuldfähigkeit der Angeklagten begründet, sind nicht rechtsfehlerfrei, weil sie die Überzeugung der Berufungskammer, die Persönlichkeitsstörung der Angeklagten habe "keinen forensisch relevanten Schweregrad" i.S.v. § 21 StGB erreicht, nicht tragfähig belegen. Die Urteilsgründe zeigen insoweit nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise auf, warum das Landgericht aufgrund der nach den Feststellungen seit vielen Jahren und auch noch zu den Tatzeiten bei der Angeklagten vorliegenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit i.S.v. § 21 StGB bei Begehung der beiden verurteilten Betrugstaten ausgegangen ist, weshalb die Urteilsgründe insoweit an einem erheblichen Erörterungsmangel i.S.v. § 267 Abs. 2 StPO leiden.
a) Zwar kann eine Persönlichkeitsstörung die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben einer bzw. eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie eine krankhafte seelische Störung. Als Gründe für die Einstufung einer Persönlichkeitsstörung als ,schwere andere seelische Abartigkeit' kommen demgemäß nur erhebliche Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit bzw. der Affektregulation, der Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens, die durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und der psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auffälligkeiten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste Denkstile, die durchgehende Störung des Selbstwertgefühls oder die deutliche Schwäche von Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen in Betracht. Handelt es sich, wie bei der hier diagnostizierten, seit vielen Jahren und auch zu den Tatzeiten bei der Angeklagten vorliegenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung, um ein eher unspezifisches Störungsbild, wird der Grad einer ,schweren anderen seelischen Abartigkeit' regelmäßig erst dann erreicht, wenn der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (st.Rspr.; vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 11.04.2018 - 2 StR 71/18 = NStZ 2018, 704 = NStZ-RR 2018, 237 = JR 2019, 98 [für ,narzisstisch-dissoziale Borderlinestörung']; 11.02.2015 - 4 StR 498/14 = NStZ-RR 2015, 137; 27.01.2017 - 1 StR 532/16 = NStZ-RR 2017, 176 = StV 2019, 101 sowie zuletzt Beschl. v. 02.03.2021 - 4 StR 543/20 = StV 2021, 489 = NStZ-RR 2021, 138, jeweils m.w.N.).
b) Auch eine narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit bei der Tatbegehung zutage getretenen dissozialen Zügen zeichnet sich jedoch durch eine Vielzahl normalpsychologisch wi...