Leitsatz (amtlich)
Wird ein bisher einheitlich genutztes gewerbliches Teileigentum, das Teil einer Wohnanlage ist, baulich so umgestaltet, dass in ihm 47 in sich abgeschlossene Wohnappartements geschaffen werden, die der nicht nur kurzzeitigen Aufnahme wohnsitzloser, psychisch erkrankter Personen dienen, ist die vorgesehene Nutzung eine solche zu Wohnzwecken. Ein derartiger Gebrauch kann infolge der damit in der Regel verbundenen intensiveren Nutzung von Gemeinschaftsflächen mehr stören als eine gewerbliche Nutzung. Für diese Beurteilung kommt es auch auf den Charakter und das Umfeld der Wohnanlage an.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 17.08.2004; Aktenzeichen 1 T 8790/04) |
AG München (Aktenzeichen 482 UR II 761/03) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG München I v. 17.8.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 250.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus drei parallel nebeneinander liegenden mehrgeschossigen Gebäuden, nämlich zwei Wohngebäuden mit 14 bzw. 42 Wohnungen und einem bisher gewerblich, zuletzt als lebensmittelchemisches Labor genutzten Gebäude, dem sog. Altbau, das sich zwischen den beiden Wohnhäusern befindet. Den Antragstellern gehören Wohnungen in den beiden außen liegenden Gebäuden, die sie 1986, 1988 und 1996 teils käuflich, teils im Weg der Zwangsversteigerung erworben haben. Die Antragsgegnerin ist die Sondereigentümerin des Altbaus mit Ausnahme des dort untergebrachten Raums für die Heizung, die die gesamte Wohnanlage versorgt. Sie verkaufte ihre Miteigentumsanteile während des gerichtlichen Verfahrens an einen freien Träger der Wohlfahrtspflege. Eine Umschreibung im Grundbuch hat noch nicht stattgefunden. Der Erwerber hat damit begonnen, den Altbau umzubauen und darin 47 Wohneinheiten als Einzelappartements einzurichten. Er plant, diese Appartements wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen mit psychischer Auffälligkeit oder Krankheit zu überlassen mit der Zielsetzung, sie zu einem selbständigen Wohnen zu befähigen und in den freien Wohnungsmarkt zu vermitteln.
Der Teilungsvertrag und die Gemeinschaftsordnung v. 16.2.1982 enthalten unter Wiederholungen der gesetzlichen Begriffsbestimmungen zu Wohnungs- und Teileigentum (§ 1 Abs. 2 und 3 WEG) u.a. folgende Regelungen:
I. Vertrag über die Begründung von Wohnungseigentum gem. § 3 WEG
§ 2
Einräumung von Sondereigentum
1. Alle Miteigentümer räumen sich Sondereigentum ein und beschränken ihr Miteigentum an dem Grundstück in der Weise, dass
a) Herrn ... das Sondereigentum an sämtlichen Räumen des in der H.-Straße gelegenen Altbaus, der ausschließlich gewerblich genutzt wird, ...
b) ...
eingeräumt wird.
2. ...
II. Bestimmungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und über die Verwaltung
§ 1 Grundregelung des Gemeinschaftsverhältnisses
1.a) Der Altbau H.-Straße bildet im Verhältnis zu den Gebäuden, die neu errichtet wurden, eine getrennte wirtschaftliche Einheit. Insofern ist wirtschaftlich gesehen kein gemeinschaftliches Eigentum vorhanden. Es wird angestrebt, diese beiden Komplexe - Altbau einerseits, Neubauten andererseits - auch rechtlich sowie verwaltungs- und kostenmäßig soweit wie möglich zu trennen. Es sollen deshalb die folgenden Sonderregelungen gelten:
b) ...
c) Zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen aller Art hinsichtlich der betreffenden Neubauten einerseits und des Altbaus andererseits bedarf es nicht der Zustimmung der jeweiligen Sondereigentümer der anderen Einheiten. Zur Veräußerung, Belastung, Gebrauchsüberlassung und Nutzungsänderung und Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums des Altbaus sind irgendwelche Zustimmungen, insb. die des Verwalters in Abweichung von den folgenden Vereinbarungen nicht erforderlich.
d) Die Teilungserklärung ist in Zweifelsfällen so auszulegen, dass die Eigentümer so stehen, wie sie stehen würden, wenn der Altbau herausgemessen und zu Alleineigentum zugeteilt wäre.
§ 2 Gebrauchsregelung
Nach § 17 der Gemeinschaftsordnung werden die Kosten für die Errichtung und für die Unterhaltung der zentralen Heizungsanlage im Verhältnis 20: 80 aufgeteilt, wobei 20 % die jeweiligen Eigentümer des Altbaus und 80 % die jeweiligen Eigentümer der Neubauten tragen.
Zur Bewilligung der Grundbucheintragung enthält der Teilungsvertrag folgende Regelung:
III. Grundbuchanträge
1. ...
2. Die Miteigentümer bewilligen und beantragen, im Grundbuch einzutragen:
a) die Einräumung von Sondereigentum und Sondernutzungsrechten gem. Teil I § 2 dieser Urkunde und die damit verbundenen Rechtsänderungen,
b) die Bestimmungen gem. Teil II §§ 2 bis 16 dieser Urkunde als Inhalt des Sondereigentums.
Dementsprechend wurde unter Bezugnahme auf dies...