Leitsatz (amtlich)

1. Zum Erfüllungsort des Honoraranspruches eines Steuerberaters.

2. Hinnahme einer von der h.M. abweichenden, aber hinreichend begründeten Rechtsauffassung im Bestimmungsverfahren.

 

Normenkette

ZPO §§ 29, 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Aktenzeichen 34 C 8124/02)

AG München (Aktenzeichen 172 C 19700/02)

 

Tenor

Zuständig ist das AG Nürnberg.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Steuerberater mit Kanzlei in München, hat beim AG München gegen die in Nürnberg ansässige Beklagte Klage auf Bezahlung von 4.737,97 Euro nebst Zinsen für Steuerberatungsleistungen erhoben. Die Beklagte hat im Termin zur Güteverhandlung die örtliche Zuständigkeit des AG München gerügt. Das AG München hat mit Beschl. v. 13.9.2002 die Parteien darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung Honorarforderungen eines Rechtsanwalts nicht an dessen Kanzleisitz (§ 29 ZPO) zu erfüllen seien, sondern im allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners. Dies gelte auch für Forderungen eines Steuerberaters. Der Kläger hat seine Auffassung bekräftigt, dass Erfüllungsort für seine Honorarforderung sein Kanzleisitz sei, hat jedoch vorsorglich Verweisungsantrag gestellt. Mit Beschluss vom 25.9.2002 hat das AG München sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Nürnberg verwiesen mit der Begründung, § 29 ZPO sei nicht einschlägig, sondern §§ 12, 13 ZPO i.V.m. §§ 269, 270 BGB; Geldschuld sei Schickschuld.

Mit Beschluss vom 16.10.2002 hat sich das AG Nürnberg seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG München zurückverwiesen. Es ist der Auffassung, der Verweisungsbeschluss des AG München entbehre der gesetzlichen Grundlage, weil nach ganz herrschender und zutreffender Auffassung der Erfüllungsort für die Gebührenansprüche eines Steuerberaters, welcher einem Rechtsanwalt insoweit gleichzustellen sei, gem. § 29 Abs. 1 ZPO Sitz der Kanzlei sei. Das AG München hat daraufhin am 22.11.2002 beschlossen, die Akten dem BayObLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen.

II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 9 EGZPO berufen. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.

2. Das AG Nürnberg ist infolge der auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachtenden Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des AG München vom 25.9.2002 zuständig geworden.

a) Nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 28). Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint, oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGH v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [341] = MDR 1988, 470; BayObLG v. 16.7.1991 – AR 1 Z 57/91, BayObLGZ 1991, 280 [281 f.]; Zöller/Greger, ZPO, § 281 Rz. 17 und 17a).

b) Die Voraussetzungen, unter denen die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des AG München vom 25.9.2002 entfallen könnte, liegen nicht vor. Das AG München hat den Gerichtsstand des § 29 ZPO ausdrücklich geprüft und einen Erfüllungsort für Honoraransprüche des Steuerberaters – ebenso wie die des Rechtsanwalts – am Ort seiner Kanzlei verneint. Es hat sich dabei in Widerspruch zur h.M., die auch der Senat teilt, gesetzt. Honoraransprüche aus einem Anwaltsvertrag sind am Ort der Kanzlei des Rechtsanwalts zu erfüllen (BGH v. 29.1.1986 – IVb ZR 8/85, BGHZ 97, 79 [82] = MDR 1986, 483; v. 31.1.1991 – III ZR 150/88, MDR 1991, 800 = NJW 1991, 3095 [3096]; BayObLG v. 7.11.2000 – 4 Z AR 118/00, NJW-RR 2001, 928; Beschl. v. 14.11.2002 – 1Z AR 153/02; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29 Rz. 25 Stichwort „Anwalt”; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 29 Rz. 6). Dies gilt auch für Honoraransprüche eines Steuerberaters (vgl. BayObLG v. 7.3.1996 – 1Z AR 14/96, BayObLGReport 1996, 48 = MDR 1996, 850; OLG Köln v. 29.10.1996 – 5 W 74/96, OLGReport Köln 1997, 11 = NJW-RR 1997, 825; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 29 Rz. 25 Stichwort „Steuerberater”).

Allerdings ist ein Verweisungsbeschluss nicht schon deshalb willkürlich, weil er von einer „ganz überwiegenden” oder „fast einhelligen” Rechtsauffassung abweicht (BGH v. 9.7.2002 – X ARZ 110/02, BGHReport 2002, 946 = NJW-RR 2002, 1498 [1499]). Das AG München hat sich zur Begründung seiner von der h.M. abweichenden

Auffassung auf Stimmen in Literatur und Rechtsprechung (vgl. Schmidt, MDR 1993, 410; Prechtel, NJW 1999, 3617; BGH v. 14.2.2001, VII ZR 176/99, MDR 2001, 561 = BGHReport 2001, 320; Einsiedler, NJW 2001, 1549; AG Spandau, NJW 2000, 1654; LG Frankfurt/M. v. 3.4.2001 – 2/15 S 244/00, NJW 2001, 2640) gestützt. Die dem Verweisungsbeschluss des AG München zugrundeliegende Ansicht, das AG Nürnberg sei mangels eines Gerichtsstands des Erfüllungsorts in München als Gericht des allgemeinen Gerichtsstand...

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