Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauerordnungswidrigkeit. Tatzeitraum. Rechtsfolgenausspruch. Bußgeldhöhe. Bußgeldbemessung. Bußgeldrahmen. Ausschöpfung. Zumessungskriterium. Tatrichter. Ermessensfehler. Feststellungen. Darlegungsumfang. Schätzung. Schätzgrundlage. Bedeutung. Gewicht. wirtschaftlich. Einkommen. Einkünfte. Vermögen. Schulden. Unterhaltsverpflichtung. Kreditverbindlichkeit. Leistungsfähigkeit. Vorteil. Milderungsgrund. Vorahndung. Tatbeendigung. Teilakt. Sanktionsverschärfung. Zwangsgeld. Hartnäckigkeit. lückenhaft. Grundstück. Eigentumswohnung. Autos. Steuerberater. Verschwiegenheitspflicht. Entbindung. Grundbuch. Einkommenssteuererklärung. Zweckentfremdung. Wohnraum. Zweckentfremdungsgesetz. Notwendige Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit bei Ausschöpfung des Bußgeldrahmens wegen der Bedeutung der Tat
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn bei einer Dauerordnungswidrigkeit im Falle einer Änderung der Bußgelddrohung nach § 4 Abs. 2 OWiG auf den Zeitpunkt der Beendigung der Tat abzustellen ist, darf bei der Bemessung der Geldbuße den Teilakten einer Dauerordnungswidrigkeit, die vor der Sanktionsverschärfung liegen, nur das Gewicht beigemessen werden, das ihnen vormals tatsächlich zukam (Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 03.11.1995 - 4 StRR 224/95 bei juris = BayObLGSt 1995, 188 = NJW 1996, 1422 = wistra 1996, 78 ).
2. Da es von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen abhängt, wie empfindlich und nachhaltig ihn die Geldbuße trifft, darf bei der Verhängung einer den Bußgeldrahmen ganz (oder nahezu) ausschöpfenden hohen Geldbuße (hier: 50.000 Euro) auf hinreichend konkrete und mögliche Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit, die notfalls im Wege der Schätzung anhand konkreter und für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbarer Schätzgrundlagen zu treffen sind, nicht verzichtet werden (u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 09.10.2019 - 201 ObOWi 963/19 bei juris und OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2018 - 3 Ss OWi 270/18 = GewArch 2018, 250 = StraFo 2018, 309).
3. Die Schätzung von Einkommens- oder Vermögensverhältnissen kommt erst dann in Betracht, wenn ein Betroffener keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben hierzu macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögern würde oder der Ermittlungsaufwand zu der konkreten Geldbuße in einem unangemessenen Verhältnis stünde.
4. Das Höchstmaß des Bußgeldrahmens ist für die denkbar schwersten Fälle vorgesehen, bei denen keine Milderungsgründe vorhanden sind. Schon bei Fehlen einschlägiger Vorahndungen verbietet sich daher regelmäßig eine vollständige Ausschöpfung des Bußgeldrahmens.
Normenkette
StPO § 349 Abs. 2, § 353; OWiG § 4 Abs. 2, § 17 Abs. 3-4, § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 80a Abs. 2; BayZwEWG Art. 4
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 12.04.2019 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.
II.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
III.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene am 12.04.2019 wegen Verstoßes gegen das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu einer Geldbuße von 50.000 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Mit Antragsschrift vom 19.12.2019 hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen als unbegründet zu verwerfen ( § 349 Abs. 2 StPO ). Hierzu hat einer der Verteidiger am 20.01.2020 eine Gegenerklärung abgegeben.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG .
1. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Zur Begründung nimmt der Senat insoweit auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 19.12.2019 Bezug.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält indes rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Zwar liegt die Bußgeldbemessung grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, der sich aufgrund der Hauptverhandlung ein umfassendes Bild vom Gewicht der Tat und dem den Täter treffenden Vorwurf machen kann. Die Überprüfung der Bußgeldbemessung durch das Rechtsbeschwerdegericht hat sich demgemäß darauf zu beschränken, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Grundlage für...