Leitsatz (amtlich)
Stellt das Vormundschaftsgericht lediglich fest, daß der Umgang des nichtehelichen Kindes mit seinem Vater dem Kindeswohl dient und wird eine Umgangsvereinbarung von der Mutter nicht eingehalten, so rechtfertigt dies nicht, der Mutter das Recht zur Regelung des Umgangs und das damit verbundene Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen. In derartigen Fällen hat das Vormundschaftsgericht eine Regelung nach § 1711 Abs. 2 BGB zu treffen.
Normenkette
BGB §§ 1711, 1666
Verfahrensgang
LG Landshut (Beschluss vom 16.07.1996; Aktenzeichen 60 T 1039/96) |
AG Freising (Beschluss vom 09.02.1996; Aktenzeichen X 283/94) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts Landshut vom 16. Juli 1996 und des Amtsgerichts Freising vom 9. Februar 1996, dieser in den Nummern I mit III und V, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung an das Amtsgericht Freising zurückverwiesen.
II. Der Beteiligten zu 1 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt R beigeordnet.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des am 1992 geborenen Kindes, der Beteiligte zu 2 der nichteheliche Vater. Die Beziehung zwischen den Beteiligten fand im Frühsommer 1994 ihr Ende. Ab diesem Zeitpunkt hatte der Vater auch keinen Kontakt mehr zu dem Kind. Am 14.7.1994 beantragte er beim Vormundschaftsgericht die gerichtliche Regelung seines Umgangsrechts, dem sich die Mutter widersetzte. Nach Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens schlossen die Beteiligten im Mai 1995 vor dem Vormundschaftsgericht eine Vereinbarung, in der dem Vater ein Umgangsrecht eingeräumt wurde, das in zweiwöchigem Abstand ausgeübt werden sollte. Bei der Durchführung dieser Vereinbarung ergaben sich aber alsbald Schwierigkeiten, die zunächst zur Absage des Umgangs durch die Mutter, schließlich aber zu erheblichen psychischen Auffälligkeiten des Kindes (u.a. Schreianfälle bei Erscheinen des Vaters, Einnässen) führten. Mit Beschluß vom 6.2.1996 entzog das Vormundschaftsgericht der Beteiligten zu 1 „das Recht der Regelung des Umgangs mit dem Kind einschließlich des damit verbundenen Aufenthaltsbestimmungsrechts” und übertrug dieses dem Kreisjugendamt als Pfleger. Die Beschwerde der Mutter gegen diese Entscheidung hatte – von einer sprachlichen Klarstellung des Tenors abgesehen – in der Sache keinen Erfolg. Gegen den entsprechenden Beschluß des Landgerichts vom 16.7.1996 wendet sich die weitere Beschwerde der Mutter.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die vom Landgericht in der Sache bestätigte Entscheidung des Vormundschaftsgerichts enthält eine auf § 1666 BGB gestützte Beschränkung des Sorgerechts. Die Entscheidung hat somit nicht lediglich den persönlichen Umgang des Vaters mit dem Kind im Sinne des § 1711 BGB zum Gegenstand, mag sie letztlich auch darauf abzielen, das Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters durchzusetzen. Die Beschränkung der weiteren Beschwerde gemäß § 63a FGG greift daher nicht ein.
2. Die weitere Beschwerde ist begründet.
a) Dem Rechtsbeschwerdegericht ist die durch die Vorinstanzen getroffene Regelung des elterlichen Sorgerechts in vollem Umfang angefallen. Zwar beantragt die Beteiligte zu 1 im Rechtsbeschwerdeverfahren ausdrücklich nur noch die inhaltliche Eingrenzung des Umgangsrechts, das der vom Vormundschaftsgericht bestellte Ergänzungspfleger dem Vater einräumen soll. Aus der Begründung des Rechtsmittels ergibt sich jedoch, daß sich die Beteiligte in der Sache gegen den Eingriff in ihr elterliches Sorgerecht als solchen wendet. Es ist daher vom Rechtsbeschwerdegericht auch nachzuprüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff vorliegen.
b) Die Entscheidung des Landgerichts enthält außer dem pauschalen Hinweis auf die Unpraktikabilität einer näheren Beschränkung des vom Vormundschaftsgericht angeordneten Eingriffs in die elterliche Sorge der Mutter keine Aussage darüber, ob ein solcher Eingriff zur Abwendung einer konkreten Gefahr für das Kindeswohl erforderlich (§ 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB) und verhältnismäßig (§ 1666a Abs. 1 BGB) ist. Dies verstößt gegen § 25 FGG.
c) Die Beschwerdeentscheidung erweist sich aber auch dann als rechtsfehlerhaft, wenn man davon ausgeht, daß das Landgericht sich stillschweigend die vom Vormundschaftsgericht angeführten Gründe für die Übertragung des Rechts der Mutter zur Regelung des Umgangs mit dem Vater auf das Jugendamt als Pfleger habe zu eigen machen wollen. Denn auch diese Gründe vermögen die getroffene Maßnahme nicht zu tragen.
(1) Das Vormundschaftsgericht führt aus, daß der persönliche Umgang des Kindes mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil generell dem Wohl des Kindes diene, weil für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes der Einfluß beider Eltern wichtig sei. Die Mutter erschwere durch die erzieherische Einflußnahme auf das Kind die Ausübung d...