Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungssache
Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt voraus, daß der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Ebersberg (Aktenzeichen XVII 243/00) |
LG München II (Aktenzeichen 6 T 7024/00) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts München II vom 8. Februar 2001 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht bestellte am 2.10.2000 für den Betroffenen eine Vereinsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge sowie Wohnungs- und Behördenangelegenheiten.
Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht am 8.2.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, bei dem Betroffenen lägen die Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung vor. Es sei bei dem Betroffenen eine senile Demenz mäßiger bis mittelgradiger Ausprägung gegeben, die eine Betreuung in dem angeordneten Umfang erforderlich mache, was sich aus dem vom Vormundschaftsgericht erholten Sachverständigengutachten ergebe. Die Betreuung erscheine auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der zuständigen Behörde als in allen Aufgabenkreisen erforderlich. Für die Gesundheit des Betroffenen bestehe eine subakute Gefahr, unter anderem liege ein Verwahrlosungssyndrom vor und es drohten Ernährungsschäden. Der Betroffene bedürfe der Pflege; eine ausreichende Versorgung durch die im Haus lebenden Angehörigen allein sei nicht sichergestellt. Soweit sich der Betroffene gegen die Inanspruchnahme von Pflegedienstleistungen und ärztlicher Versorgung geäußert habe, stütze dies die Beurteilung des Sachverständigen, daß die jetzigen Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten aufgrund der gesamten häuslichen Situation erheblich eingeschränkt seien. Daß die häusliche Verwahrlosung und der reduzierte Ernährungszustand schon seit längerer Zeit bestehe, lasse keine andere Beurteilung zu. Die Sorge für die Gesundheit des Betroffenen dürfe nicht weiterhin nur der Ehefrau und dem Sohn sowie dem Enkel des Betroffenen überlassen bleiben. Entgegen der Annahme der Betreuungsstelle sei von der Anordnung der Betreuung nicht schon wegen Aussichtslosigkeit Abstand zu nehmen. Richtig sei, daß die mit Hilfe der angeordneten Betreuung zugunsten des Betroffenen und seines Wohlergehens in die Wege zu leitenden Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen ohne ein Mindestmaß an Kooperation, insbesondere der Ehefrau und des Sohnes des Betroffenen, nicht durchführbar seien. Daß die Ehefrau und der Sohn zur erforderlichen Kooperation zu bewegen seien, erscheine aufgrund deren Verhaltens als äußerst zweifelhaft. Aus diesen Gründen sei jedoch nicht von der Anordnung der Betreuung Abstand zu nehmen, sondern vielmehr im Interesse und zum Wohl des Betroffenen der Wirkungskreis der Betreuung auch auf die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Wohnungs- und Behördenangelegenheiten zu erstrecken.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und gegen seinen Willen, setzt voraus, daß der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 189).
Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d. h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLGZ 1994, 209/212).
Für die Bestellung eines Betreuers ist kein Raum, wenn sich der angestrebte Zweck durch die vorgesehene Maßnahme nicht erreichen läßt, etwa die Bestellung eines Betreuers keinen Erfolg verspricht (BayObLGZ 1994, 209/211 f.).
b) Das Landgericht hat keine Feststellungen zum Ausschluß der freien Willensbildung bei dem Betroffenen getroffen. Auch die in Bezug genommene kurze gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 19.8.2000 geht auf diesen Punkt nicht ausdrücklich ein. Sie nimmt zwar eine geistige Behinderung in Form einer senilen Demenz, wahrscheinlich vom Alzheimer-Typ, mäßiger bis mittelgradiger Ausprägung an. Auf der anderen Seite bestätigt sie, daß mit dem Betroffenen eine Verständigung möglich sei, dieser bewußtseinsklar sei und trotz ...