Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungssache
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Ermessensausübung bei der Anwendung von § 1 Abs. 3 BVormVG kann dem Betreuer eines mittellosen Betreuten ein erhöhter Stundensatz mit der Überlegung versagt werden, daß die Bestellung erst nach Ablauf der ursprünglichen Übergangsfrist (30.6.2000) erfolgt ist und der Betreuer eine Nachqualifizierung nicht anstrebt.
Normenkette
BGB § 1836a; BVormVG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Aktenzeichen 2 T 649/01) |
AG Tirschenreuth (Aktenzeichen XVII 207/00) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 1. August 2001 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht bestellte für den mittellosen Betroffenen am 3.11.2000 für alle Angelegenheiten einen vorläufigen Betreuer; zugleich stellte es fest, daß dieser die Betreuung berufsmäßig führt. Der Betroffene ist am 22.12.2000 verstorben.
Der vorläufige Betreuer begehrte für seine Tätigkeit in der Zeit vom 2.11.2000 bis 20.2.2001 neben Aufwendungsersatz auch eine Vergütung aus der Staatskasse auf der Grundlage eines Stundensatzes von 50 DM zuzüglich Mehrwertsteuer.
Das Amtsgericht billigte dem Betreuer mit Beschluß vom 12.7.2001 eine Vergütung auf der Grundlage eines gemäß § 1 Abs. 3 BVormVG von 45 auf 50 DM erhöhten Stundensatzes zuzüglich Mehrwertsteuer zu.
Auf die auf die Höhe des Stundensatzes beschränkte sofortige Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht mit Beschluß vom 1.8.2001 nur eine Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 45 DM zuzüglich Mehrwertsteuer gewährt. Hiergegen wendet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde des vorläufigen Betreuers.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Zeitaufwand des Betreuers sei lediglich mit einem Stundensatz von 45 DM zu vergüten. Die Kammer halte eine Auslegung von § 1 Abs. 3 BVormVG dahin, daß sich die Übergangsvorschriften nur auf Betreuungen beziehe, die vor dem 1.1.1999 übernommen worden seien, für sachgerecht. Diese Frage könne aber offenbleiben. Die Vorschrift räume dem Gericht einen Ermessensspielraum ein, der sich auch auf die Frage beziehe, ob eine Erhöhung überhaupt gerechtfertigt sei. Diese Entscheidung sei unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu treffen. Da die Übergangsvorschrift eine Befristung vorsehe, werde ein Vertrauensschutz um so weniger in Betracht kommen, je näher der Zeitpunkt, in dem die Betreuung übernommen worden sei, dem Fristende liege. Im vorliegenden Fall sei die Betreuung erst nach der zunächst vorgesehenen Frist vom 30.6.2000 übernommen worden. Die weitere Verlängerung dieser Frist hänge offenbar damit zusammen, daß teilweise die Voraussetzungen für eine Nachqualifizierung noch nicht geschaffen worden seien. Dieser Umstand habe aber im Hinblick auf einen Vertrauensschutz nur dann Bedeutung, wenn der Betreuer auch ernsthaft eine Nachqualifizierung angestrebt habe oder anstrebe. Wer dies von Anfang an nicht gewollt habe, sei daher bereits ab Inkrafttreten des Vergütungsgesetzes gehalten gewesen, sich darauf einzustellen, daß nach Ablauf der Übergangsfrist er mit den neuen Vergütungssätzen zurechtkommen müsse. Für die erst am 3.11.2000 übernommene Betreuung könne der vorläufige Betreuer keinen Vertrauensschutz mehr beanspruchen, da weder ersichtlich noch vorgetragen sei, daß er jemals eine Nachqualifizierung angestrebt habe.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Der Stundensatz, der der Vergütung eines Berufsbetreuers aus der Staatskasse zugrunde zu legen ist, beträgt gemäß der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung je nach der Qualifikation des Betreuers 35, 45 oder 60 DM (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836a BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVormVG).
Hat der Betreuer Betreuungen schon seit mindestens 1.1.1997 berufsmäßig geführt, kann ihm das Gericht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG für eine Übergangszeit einen über 35 bzw. 45 DM hinausgehenden Stundensatz zubilligen, und zwar unabhängig davon, wann der Betreuer die konkrete Betreuung, für die er die Vergütung beansprucht, übernommen hat (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 2000, 20). Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 BVormVG stellt eine Härteregelung dar. Sie will unzumutbare Nachteile vermeiden, die sich für Berufsbetreuer aus dem Wechsel der für die Vergütung ihrer Tätigkeit maßgeblichen Bemessungskriterien ergeben können (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138). Sie dient der Besitzstandswahrung (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553; OLG Hamm FGPrax 1999, 223 und 2000, 20; Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273/1275) und gewährt Vertrauensschutz im Hinblick darauf, daß die auf den bisher erzielten Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulation darstellen. Die seit mindestens zwei Jahren tätigen Berufsbetreuer, denen bisher höhere Stundensätze bewilligt wurden als ihnen nach der Neur...