Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Sachrüge. Aufhebung. Zurückweisung. Strafzumessung. Rechtsfolgenausspruch. Strafausspruch. Umsatzsteuer. Steuerhinterziehung. Umsatzsteuerhinterziehung. Steuererklärung. Umsatzsteuerjahreserklärung. Abgabe. Nichtabgabe. Steueranmeldung. Vollendung. Steuerschuldner. Strafmilderungsgrund. Pflicht. Rechtsanwalt. Steuerberater. Unternehmer. Besteuerungszeitraum. Steuerverkürzung. Festsetzung. Fälligkeitssteuer. Vorbehalt. Nachprüfung. Stichtag. Einkommenssteuer. Gewerbesteuer. Steuererstattung. Steuererstattungsanspruch. Finanzbehörde. Finanzamt. Überzahlung. Verrechnung. Anmeldesteuer. Folgejahr. Verkürzungserfolg. Jahresabschluss. Leistung. Vorsatz. Tatbestandsirrtum. Unterlassen. Pflichtwidrigkeit. Beendigung. Beruf. Existenz. Existenzverlust
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung ist die Umsatzsteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO mit Ablauf der in § 149 Abs. 2 Satz 1 AO vorgesehenen Frist vollendet.
2. Die strafschärfende Erwägung, dass der Steuerschuldner auch nach diesem Zeitpunkt keine Steuererklärung abgegeben hat, ist rechtsfehlerhaft, weil dies darauf hinausläuft, dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrunds anzulasten.
3. Die berufliche Stellung eines Angeklagten darf nur dann strafschärfend gewertet werden, wenn sich aus ihr besondere Pflichten ergeben. Dies ist nicht der Fall, wenn der Angeklagte, der als Steuerberater tätig ist, seinen eigenen Steuerpflichten nicht nachkommt.
4. Berufsrechtliche Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung sind jedenfalls dann bei der Strafzumessung ausdrücklich zu berücksichtigen, wenn der Angeklagte durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Frage, ob der Steuerpflichtige durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung eine Steuerverkürzung begangen hat, ist es irrelevant, ob er Steuererstattungsansprüche (z.B. bei der Einkommensteuer) hatte, mit denen die festzusetzende Umsatzsteuer hätte verrechnet werden können, weil es allein auf die nicht rechtzeitige Festsetzung und nicht etwa die Nichtentrichtung der Steuerschuld ankommt.
Normenkette
AO § 149 Abs. 2 S. 1, § 150 Abs. 1 S. 3, § 168 S. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 1; UStG § 13 Abs. 1 S. 1, § 18 Abs. 3; StGB § 16 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 2, § 53; StBerG § 90; BRAO § 114 Abs. 1; StPO § 349 Abs. 2, § 353 Abs. 2, § 354 Abs. 2
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 07.05.2021 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
II.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten, der Rechtsanwalt und Steuerberater ist und daneben weitere Unternehmen innehat, am 04.04.2019 wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 5 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil vom 07.05.2021 verwarf das Landgericht die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft als unbegründet. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die zulässige Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Schuldsprüche wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 5 Fällen sind nicht zu beanstanden.
a) Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils tragen jeweils die Verurteilung wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 5 Fällen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 53 StGB, weil es durch die nicht rechtzeitige Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Besteuerungszeiträume 2011 bis 2015 jeweils mit Ablauf des 31.05. des Folgejahres zur Steuerverkürzung im Sinne der "nicht rechtzeitigen Festsetzung" im Sinne des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO der Jahresumsatzsteuer kam.
aa) Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine Fälligkeitssteuer. Hierbei ist der Unternehmer gemäß 18 Abs. 3 UStG i.V.m. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO zur Abgabe einer Steueranmeldung verpflichtet, in der er nicht nur die tatsächlichen Umsätze anzugeben, sondern die Steuer auch zu berechnen hat. Mit Ablauf dieser Frist ist die Umsatzsteuer verkürzt, weil die Umsatzsteuerjahreserklärung als Steueranmeldung (§ 18 Abs. 3 UStG i.V.m. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO), zu einer derartigen Steuerfestsetzung es aber spätestens zum maßgeblichen Stichtag gerade nicht kam. Auf eine "Veranlagung", die etwa bei der Einkommens- oder Gewerbesteuer, nicht aber bei der Umsatzsteuer stattfindet, kommt es daher - entgegen der Revision und auch den missverständlichen, freilich nicht entscheidungserheblichen Formulierungen de...