Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung
Verfahrensgang
LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 1557/98) |
AG Landshut (Aktenzeichen 14 UR II 5/98) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 21. September 1999 aufgehoben.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Landshut vom 30. April 1998 wird zurückgewiesen. Der Hilfsantrag wird als unzulässig abgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten aller Rechtszüge zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist die Verwalterin, der Antragsgegner ist Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage.
Mit rechtskräftigem Beschluß des Wohnungseigentumsgerichts vom 28.1.1993 wurde die Antragstellerin verpflichtet, dem Antragsgegner in näher bestimmter Weise Rechnung zu legen und bestimmte Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen. Mit weiterem rechtskräftigem Beschluß vom 23.9.1994 wurde sie durch Festsetzung von Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 3 000 DM, ersatzweise sechs Tage Zwangshaft, zur Vornahme dieser Handlungen angehalten.
Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts vom 23.9.1994 für unzulässig zu erklären. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß sie ihrer Abrechnungsverpflichtung, soweit dies möglich sei, nachgekommen sei; im übrigen hat sie sich auf Vollstreckungsverjährung berufen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 30.4.1998 den Antrag abgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat sie ihren Antrag erster Instanz wiederholt und den Hilfsantrag gestellt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts vom 28.1.1993 für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat am 21.9.1999 den Beschluß des Amtsgerichts vom 30.4.1998 aufgehoben und die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts vom 23.9.1994 für unzulässig erklärt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts vom 23.9.1994 sei unzulässig, weil gemäß Art. 9 Abs. 2 EGStGB Vollstreckungsverjährung eingetreten sei.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Vollstreckungsabwehrantrag ist zulässig. Die Antragstellerin erhebt wegen veränderter Umstände materiell-rechtliche Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch, nämlich Erfüllung und Vollstreckungsverjährung. Hierfür steht ihr grundsätzlich der Vollstreckungsabwehrantrag gemäß §§ 888, 794 Abs. 1 Nr. 3, §§ 795, 767 ZPO zu (vgl. Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 888 Rn. 20 für den Einwand der Erfüllung und § 767 Rn. 20a für den Fall der Verjährung). Der Vollstreckungsabwehrantrag war beim Wohnungseigentumsgericht zu stellen (BayObLG NJW-RR 1990, 26; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1235; Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn. 87).
b) Der Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts vom 23.9.1994 für unzulässig zu erklären, ist unbegründet. Durch diesen Beschluß wurde die Antragstellerin nach § 888 ZPO zur Vornahme von Handlungen durch Festsetzung von Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, angehalten. Der Einwand der Vollstreckungsverjährung greift nicht durch. Art. 9 EGStGB sieht nämlich eine Vollstreckungsverjährung nur bei Ordnungsmitteln, nicht aber bei Zwangsgeldern vor (vgl. Stein/Jonas/Brehm ZPO 21. Aufl. § 888 Rn. 34 und § 890 Rn. 50).
Der Einwand, die geschuldete Handlung sei vorgenommen, kann mit dem Vollstreckungsabwehrantrag nur gegenüber dem Beschluß des Amtsgerichts vom 28.1.1993, nicht aber gegenüber dem Beschluß vom 23.9.1994 vorgebracht werden (vgl. Thomas/Putzo § 888 Rn. 7 und Rn. 20).
c) Der erstmals im Beschwerdeverfahren hilfsweise gestellte Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts vom 28.1.1993 für unzulässig zu erklären, ist unzulässig.
Hat wie hier die Vorinstanz dem Hauptantrag stattgegeben, muß das Rechtsmittelgericht auf das Rechtsmittel des Antragsgegners über den Hilfsantrag entscheiden, wenn es den Hauptantrag für unbegründet hält, ohne daß es eines besonderen Antrags oder gar des Anschlußrechtsmittels des Antragstellers bedarf (Zöller/Gummer ZPO 21. Aufl. § 537 Rn. 11).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist – in den Grenzen der Beschwerde – grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist, hier also der Hauptantrag. Eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Klageerweiterung im Berufungsverfahren (§§ 523, 263 ff. ZPO) ist im Beschwerdeverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit im echten Streitverfahren zu bejahen (BayObLG NJW-RR 1998, 8 f.). Hier hat der Antragsgegner der Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren widersprochen und...