Leitsatz (amtlich)
Eine Ermäßigung von Gebühren in Grundbuchsachen nach den Vorschriften des Einigungsvertrags setzt voraus, dass diese Gebühren von einem Gericht im Beitrittsgebiet erhoben werden.
Verfahrensgang
LG Passau (Aktenzeichen 1 T 179/02) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG Passau vom 9.10.2002 wird aufgehoben.
II. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Passau vom 11.9.2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligte, eine GmbH & Co KG, erwarb nach Verlegung ihres Sitzes von Baden-Württemberg nach Brandenburg ein Grundstück in Bayern. Das hier zuständige AG setzte diesbezüglich am 6.8.2002 Kosten für die Löschung einer Vormerkung und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch nebst Katasterfortführung an. Gegen die entsprechende an sie gerichtete Kostenrechnung vom 14.8.2002 über insgesamt 1.041,60 Euro erhob die Beteiligte Erinnerung. Sie machte damit im Hinblick auf ihren Sitz im Beitrittsgebiet eine Gebührenermäßigung von 10 % gem. dem Einigungsvertrag geltend.
Das AG wies die Erinnerung am 11.9.2002 zurück. Auf die hiergegen von der Beteiligten eingelegte Beschwerde hat das LG den Kostenansatz des AG dahin abgeändert, dass ein Abzug von 10 % vorzunehmen ist.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Staatskasse.
II. Die vom LG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassene und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde der Staatskasse (§ 14 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 KostO) hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des LG und zur Zurückweisung der Erstbeschwerde, da das AG eine Gebührenermäßigung gem. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 20 Buchstabe a zu Art. 8 des Einigungsvertrags zu Recht versagt hat.
1. Das LG hat ausgeführt, der Beteiligten stehe die Gebührenermäßigung nach dem Einigungsvertrag zu, weil die Beteiligte ihren Sitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand im Beitrittsgebiet habe. Es sei nicht Voraussetzung der Ermäßigungsregelung, dass die betreffende Gebühr vor Gerichten im Beitrittsgebiet anfalle.
2. Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung (§ 14 Abs. 3 S. 3 KostO, § 546 ZPO) nicht stand.
Eine Ermäßigung von Gebühren in Grundbuchsachen nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 20 Buchstabe a zu Art. 8 des Einigungsvertrags setzt voraus, dass diese Gebühren von einem Gericht im Beitrittsgebiet erhoben werden. Daher ist die Entscheidung des AG zu bestätigen.
a) Die Rechtsprechung der Obergerichte der alten Bundesländer zu der vergleichbaren Regelung hinsichtlich der Gebühren nach dem Gerichtskostengesetz (Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 19 Buchstabe a zu Art. 8 des Einigungsvertrags) ist uneinheitlich.
aa) Ein Teil wendet die Gebührenermäßigung auf in seinem Zuständigkeitsbereich entstandene Gerichtsgebühren nicht an, auch wenn der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand im Beitrittsgebiet hat, da sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ermäßigungsregelung ergebe, dass sie nur im Beitrittsgebiet gelte (so OLG München JurBüro 1995, 147 [148] mit zust. Anm. Mümmler und v. 17.4.1996 – 11 W 3185/95, MDR 1996, = BayObLGReport 1996, 132; OLG Stuttgart v. 14.5.1996 – 8 W 74/96, MDR 1996, 969 = Pfleger 1996, 481 [482]; OLG Schleswig v. 22.2.1996 – 9 W 22/96, OLGReport Schleswig 1996, 222 = DNotZ 1996, 922 [924] mit zust. Anm. Lappe; OLG Hamm JurBüro 1997, 146 [147]).
bb) Der andere Teil wendet die Gebührenermäßigung auf in den alten Bundesländern entstandene Gerichtsgebühren an, wenn der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand im Beitrittsgebiet hat (so BGH v. 14.11.1995 – VI ZR 408/94, MDR 1996, 205 = RPfleger 1996, 171; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 544 [545]; OLG Nürnberg JurBüro 1998, 427 [428] mit abl. Anm. Meyer).
b) Über die Voraussetzungen einer Ermäßigung von Gebühren nach der Kostenordnung (Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 20 Buchstabe a zu Art. 8 des Einigungsvertrags) haben bislang, soweit ersichtlich, das Schleswig-Holsteinische OLG (OLG Schleswig v. 22.2.1996 – 9 W 22/96, OLGReport Schleswig 1996, 222 = DNotZ 1996, 922 [924]) und das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 12.12.1995 – 10 W 212/95, MDR 1996, 643 = OLGReport Düsseldorf 1996, 135 = FGPrax 1996, 76 [77]) entschieden. Beiden Entscheidungen lagen Notargebühren zugrunde. Beide Obergerichte lehnten die Gebührenermäßigung ab, weil der Notar seinen Amtssitz in den alten Bundesländern hatte, der Ermäßigungstatbestand aber voraussetze, dass der Notar seinen Amtssitz im Beitrittsgebiet hat.
c) Auch in Grundbuchsachen (§§ 60 ff. KostO) können nur solche Gebühren nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 20 Buchstabe a zu Art. 8 des Einigungsvertrags ermäßigt werden, die von einem Gericht im Beitrittsgebiet erhoben werden. Der Senat schließt sich damit den oben b) genannten Entscheidungen und der herrschenden Meinung in der Literatur (so Korintenberg/Lappe, KostO, 15. Aufl., Anhang A I Rz. 1, 8; Rohs/Wedewer, KostO, 82. ErgLfg. zur 2. Au...