Leitsatz (amtlich)
Im Gerichtsstand des § 32 ZPO kann auch Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines angefochtenen Vertrages erhoben werden, wenn die Anfechtung auf die behauptete unerlaubte Handlung – Betrug – gestützt war.
Normenkette
ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
I. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens.
III. Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller will eine Publikums-KG, der er – über eine Treuhandkommandistin – beigetreten ist (die Antragsgegnerin zu 3), den Anlagevermittler (Antragsgegner zu 1) und das Anlagevermittlungsunternehmen, für das der Antragsgegner zu 1) auftrat (die Antragsgegnerin zu 2), sowie die seinen Beitritt finanzierende Bank (die Antragsgegnerin zu 4), als deren „Generalrepräsentanten” der Antragsgegner zu 1) und die Antragsgegnerin zu 2 aufgetreten seien, nach Anfechtung der Beitrittserklärung und des Darlehensvertrages wegen arglistiger Täuschung auf Feststellung der infolge der Anfechtung eingetretenen Unwirksamkeit des Beitritts und des Darlehensvertrages sowie der gesamtschuldnerischen Verpflichtung zum Schadensersatz – unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo sowie gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB – verklagen. Er will vorbringen, der Antragsgegner zu 1) habe ihm bei dem Beratungsgespräch am 12.12.1999, bei dem er schließlich die Beitrittserklärung und die Darlehensanträge unterzeichnet habe, bestätigt, dass sein Interesse an einer kurzfristigen Vermögensanlage durch den Beitritt zur Antragsgegnerin zu 3) bestens gewahrt werde. Aus dem Prospekt – der ihm erst am 7.6.2001 übergeben worden sei – ergebe sich dagegen, dass der Beitritt zur Antragsgegnerin zu 3) nur langfristig rentabel sei.
Die Antragsgegnerin zu 2) und die Antragsgegnerin zu 3) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand beim LG Würzburg, die Antragsgegnerin zu 4) beim LG Dresden, der Antragsgegner zu 1) – nach Behauptung des Antragstellers – beim LG Gießen. Der Antragsteller hat daher beim OLG Bamberg beantragt, nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das LG Würzburg als gemeinschaftlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Das OLG Bamberg hat den Antrag zuständigkeitshalber an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
II.1. Zuständig zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag ist nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht.
2. Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Sie ist daher im vorliegenden Fall nicht möglich.
Es kann dahinstehen, ob ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO an dem Ort begründet ist, an dem das – unmittelbar zum Beitritts- und Darlehensantrag führende – Beratungsgespräch stattfand und an dem daher die Verpflichtung der Antragsgegner zur Aufklärung und Beratung des Antragstellers zu erfüllen war (vgl. BayObLG v. 10.6.2002 – IZ AR 50/02, NJW 2002, 2888; offen gelassen in BGH v. 7.1.2003 – X ARZ 362/02, MDR 2003, 648 = BGHReport 2003, 566 = NJW 2003, 1190). Jedenfalls ist der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben (§ 32 ZPO). Nach dem im Bestimmungsverfahren maßgebenden Vorbringen des Antragstellers liegt – jedenfalls auch – ein Fall des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB vor. Die unerlaubte Handlung wurde zwar nach dem Vorbringen des Antragstellers konkret nur durch den Antragsgegner zu 1) (und dessen Kollegen, der nicht mitverklagt werden soll) begangen; die Antragsgegnerinnen zu 2), 3) und 4) werden jedoch allein wegen des Verhaltens des Antragsgegners zu 1) – nicht etwa auf Grund gesonderter, eigener Tatbeiträge – in Anspruch genommen, weil sie sich das Verhalten des Antragsgegners zu 1) „gemäß § 278 BGB bzw. gem. § 831 BGB” zurechnen lassen müssten. Nach § 32 ZPO ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, in dessen Bezirk ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde (Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 32 Rz. 7); der Kläger hat insoweit die Wahl (§ 35 ZPO). Das nach § 32 ZPO örtlich zuständige Gericht hat den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (BGH v. 10.12.2003 – X ARZ 208/02, MDR 2003, 345 = BGHReport 2003, 300 = NJW 2003, 828). Welche Rechtsfolge aus der unerlaubten Handlung hergeleitet wird, ist für die Anwendbarkeit des § 32 ZPO grundsätzlich gleichgültig. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist insb. nicht nur für Schadensersatzklagen eröffnet (Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 32 Rz. 5). Auch der Feststellungsantrag, der die Unwirksamkeit von Verträgen infolge der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zum Gegenstand hat, kann daher – neben einem Feststellungsantrag, der die Verpflichtung zum Schadensersatz zum Gegenstand hat – im Gerichtsstand des § 32 ZPO geltend gemacht werden, wenn die Anfechtung wegen einer unerlaubten Handlung erklärt wurde, wie hier behauptet ist.