Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechselbezüglichkeit gemeinschaftlicher Verfügungen

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Wechselbezüglichkeit der in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Verfügungen von Ehegatten, mit denen sie sich gegenseitig zum Alleinerben und das gemeinschaftliche Kind zum Schlußerben einsetzen, wenn im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nur ein Ehegatte vermögen besitzt und dieser später dem anderen Ehegatten einen Miteigentumsanteil an dem gemeinsam bewohnten Hausgrundstück überläßt.

Die wechselbezügliche Einsetzung des gemeinschaftlichen Kindes als Schlußerben wird durch dessen Vorversterben nicht gegenstandslos, wenn dessen Abkömmlinge als Ersatzerben an seine Stelle treten.

 

Normenkette

BGB §§ 2270, 2271 Abs. 2, § 2069

 

Verfahrensgang

AG München

LG München I

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 23. November 1993 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 bis 4 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 125 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der im Alter von 95 Jahren verstorbene Erblasser war seit 8.3.1941 in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 kinderlos verheiratet. Aus seiner ersten, durch den Tod der Ehefrau am 12.4.1940 aufgelösten Ehe ist ein am 13.4.1980 vorverstorbener Sohn hervorgegangen. Dessen Kinder sind die Beteiligten zu 2 bis 4. Der Nachlaß besteht, soweit bisher festgestellt, aus dem hälftigen Miteigentum an einem Wohnhausgrundstück in München, das der Erblasser während seiner ersten Ehe gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau je hälftig zu Miteigentum erworben hatte. Nachdem er diese beerbt hatte und dadurch Alleineigentümer des Grundstücks geworden war, hatte der Erblasser einen Hälfteanteil auf seine zweite Ehefrau, die Beteiligte zu 1, übertragen.

Der Erblasser hat mehrere letztwillige Verfügungen hinterlassen. Mit seiner ersten Ehefrau errichtete er ein privat-schriftliches Testament. Die eine Hälfte eines Doppelbogens trägt den vom Erblasser eigenhändig niedergeschriebenen und unterzeichneten Text:

Unser letzter Wille.

Nach Ableben von einen Ehegatten, sind wir uns einig, dass wir sich gegenseitig erben.

Wir setzen den überlebenden Ehegatten als Alleinerben unseres sämtlichen Vermögen ein.

Nach Ableben von uns Beiden, tritt unser Sohn … als einziger Erbe ein.

M., den, 1. April 1934

Dem hat die erste Ehefrau eigenhändig hinzugesetzt:

M., den 1. April 1934

am 8. Dez. 1895

Auf dem anderen Halbbogen hat die erste Ehefrau des Erblassers den gleichen Text eigenhändig niedergeschrieben und unterzeichnet, während der Erblasser Ort, Datum, seine Unterschrift und sein Geburtsdatum handschriftlich hinzugesetzt hat.

Nach seiner zweiten Eheschließung schloß der Erblasser mit der Beteiligten zu 1 am 18.12.1941 einen Erbvertrag, worin er seiner zweiten Ehefrau zur Abfindung ihrer Erb- und Pflichtteilsansprüche als Vermächtnis „das gesamte vorhandene Barvermögen einschließlich Wertpapieren und Sparkassenguthaben” sowie ein Wohnrecht in seinem Anwesen zuwendete (Nr. I). In Nr. II bestimmte der Erblasser „in einseitiger, also jederzeit widerruflicher Weise” seinen Sohn aus erster Ehe zum Alleinerben und dessen Kinder zu Ersatzerben.

Am 11.7.1953 schloß der Erblasser mit der Beteiligten zu 1 einen zweiten Erbvertrag. Darin hoben die Ehegatten den Erbvertrag vom 18.12.1941 und etwa sonst bisher getroffene Verfügungen von Todes wegen auf. Sie vereinbarten, daß die Beteiligte zu 1 bis zu ihrer Wiederverheiratung oder ihrem Tod befreite Vorerbin des Erblassers sein solle, Nacherbe der Sohn des Erblassers aus erster Ehe und Ersatznacherben dessen eheliche Kinder.

Am 13.5.1982 schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 1 einen dritten Erbvertrag, mit dem sie den vorangegangenen aufhoben und alle bisher errichteten Verfügungen von Todes wegen widerriefen. Der Erblasser stellte fest, daß sein Sohn aus erster Ehe im Jahr 1980 unter Hinterlassung von drei ehelichen Kindern verstorben sei, und setzte seine Ehefrau, die Beteiligte zu 1, zur Alleinerbin ein. Ersatzerben bestimmte er nicht.

Wenige Wochen vor seinem Tod, am 15.11.1991, schloß der Erblasser mit der Beteiligten zu 1 den vierten Erbvertrag. Darin widerriefen die Ehegatten alle früher von ihnen errichteten Verfügungen von Todes wegen, ausgenommen die im Erbvertrag vom 13.5.1982 bestimmte Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin des Ehemanns, die sie wiederholten. Zum Schlußerben bestimmten sie einen Neffen des Erblassers, ersatzweise dessen Tochter.

Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 1.4.1934 haben die Beteiligten zu 2 bis 4 als Ersatzerben anstelle ihres Vaters einen Erbschein beantragt, wonach der Erblasser von ihnen zu je 1/3 beerbt worden sei. Das Nachlaßgericht hat einen Erbschein dieses Inhalts am 16.2.1993 bewilligt und anschließend hinausgegeben. Am 9.3.1993 hat die Beteiligte zu 1 beim Nachlaßgericht die Einziehung dieses Erbscheins angeregt ...

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