Entscheidungsstichwort (Thema)

Beseitigung einer Balkonverglasung. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die bloße Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen Wohnungseigentümer, auch in der Form einer wirtschaftlich sinnvollen Verbesserung (hier: Verglasung des Balkons), stellt keine Maßnahme der Instandsetzung oder Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, die keiner Zustimmung nachteilig betroffener Wohnungseigentümer bedürfte.

2. Der Umstand, daß in der Vergangenheit andere Wohnungseigentümer durch bauliche Maßnahmen die Fassade des Gebäudes verändert haben, kann grundsätzlich dem Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs entgegengehalten werden.

 

Normenkette

WEG § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 1 T 5587/01)

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 841/00)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 26. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragsgegner haben den Balkon ihrer Wohnung im 3. Obergeschoß durch eine Verglasung geschlossen.

Nach § 5 Abs. 5 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung dürfen die Wohnungseigentümer die äußere Gestalt des Bauwerks oder seiner im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Bestandteile nicht verändern.

Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht die Antragsgegner am 2.3.2001 verpflichtet, den auf der Terrasse ihrer Wohnung angebrachten Wintergarten binnen zwei Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 26.6.2001 die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt: Die Balkonverglasung stelle eine bauliche Veränderung mit einer erheblichen optischen Beeinträchtigung der Fassade dar; dies ergebe sich aus den vorgelegten Lichtbildern. Unerheblich sei, daß durch bauliche Veränderungen anderer Wohnungseigentümer, die zum Teil genehmigt worden seien, das Erscheinungsbild der Fassade verändert worden sei. Dies lasse das Beseitigungsverlangen nicht als rechtsmißbräuchlich erscheinen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, bedarf der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Baumaßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG kann auch in der optisch nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks des Gebäudes liegen. Ob eine solche nachteilige Veränderung vorliegt, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Bei den Akten befindliche Lichtbilder können eine ausreichende Beurteilungsgrundlage sein, die einen Augenschein erübrigt (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. BayObLG NZM 1998, 980 m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler das Vorliegen einer zustimmungspflichtigen baulichen Veränderung bejaht, die einen Beseitigungsanspruch der Antragsteller gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG begründet.

(1) Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei festgestellt, daß eine optische Beeinträchtigung vorliegt. Die bei den Akten befindlichen Lichtbilder bestätigen dies. Diese tatrichterliche Feststellung kann von den Antragsgegnern nicht dadurch erschüttert werden, daß sie ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen der Tatsachengerichte setzen.

(2) Von einer sogenannten modernisierenden Instandsetzung kann nicht ausgegangen werden. Darunter ist eine Instandsetzung zu verstehen, durch die statt der Herstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustands der Zustand verändert wird, wobei der technischen Fortentwicklung Rechnung getragen wird (vgl. BayObLG NZM 1998, 338). Dieser Fall liegt nicht vor, weil es sich nicht um eine Maßnahme der Instandsetzung handelt. Die bloße Veränderung, auch in der Form einer wirtschaftlich sinnvollen Verbesserung des bestehenden Zustands ist keine Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme. Öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Energieeinsparung oder zum Lärmschutz gebieten die vorgenommene Verglasung nicht. Im Hinblick darauf kann ein durch die Verglasung verbesserter Lärmschutz eine für andere Wohnungseigentümer nachteilige bauliche Veränderung des G...

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