Leitsatz (amtlich)

Auf erstinstanzliche Verfahren über die gerichtliche Festsetzung der angemessenen Barabfindung nach einem Ausschluss von Minderheitsaktionären ("Squeeze-Out") ist das vor dem 1.9.2003 geltende Recht auch dann anzuwenden, wenn ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem Stichtag bei Gericht eingegangen ist, jedoch der Ausschluss der Minderheitsaktionäre zwar mehrere Monate vorher beschlossen, aber erst nach diesem Datum in das Handelsregister eingetragen wurde.

 

Normenkette

SpruchG § 17 Abs. 2 S. 1; AktG § 327 f. a.F., § 328

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 07.10.2004; Aktenzeichen 5HK O 16202/03)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des LG München I vom 7.10.2004 dahingehend abgeändert, dass die Anträge der Antragsteller zu 11), 24) und 35) abgewiesen werden.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Kosten der Antragsteller - mit Ausnahme der Antragsteller zu 10), 12) bis 14) sowie der Antragsteller zu 11), 24) und 35) -, soweit sie im Beschwerdeverfahren zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, sind von den Antragsgegnerinnen zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Am 26.5.2003 beschloss die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1), die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 2), die D., zu übertragen. Diese hielt zu diesem Zeitpunkt mehr als 95 % der Aktien der Antragsgegnerin zu 1). Als Barabfindung wurde ein Betrag von 21 EUR je Aktie festgesetzt. Am 3.9.2003 wurde der Ausschluss der Minderheitsaktionäre in das Handelsregister eingetragen; die Eintragung wurde im Bundesanzeiger Nr. 173 vom 16.9.2003 (S. 11241) bekannt gemacht.

Der Antragsteller zu 1) beantragte mit einem von ihm unterzeichneten Schriftsatz vom 28.8.2003, der am selben Tag per Fax und am nächsten Tag im Original bei Gericht einging, unter dem Betreff "H. R. E., München, Antrag auf Einleitung eines Spruchstellenverfahrens gem. §§ 304 ff. AktG" die gerichtliche Bestimmung der angemessenen Barabfindung nach den genannten aktienrechtlichen Vorschriften.

Am 29.8.2003 beantragte die Antragstellerin zu 9) mit anwaltlichem Schriftsatz, der am selben Tag per Fax einging, "den angemessenen vertraglich geschuldeten Ausgleich gem. §§ 327aff. AktG zu bestimmen".

Die weiteren Anträge der Antragsteller zu 2) bis 8) sowie 10) bis 35) gingen nach dem 3.9.2003 bei Gericht ein.

Aufgrund der Verfügung des Vorsitzenden der zuständigen Kammer veröffentlichte der gedruckte Bundesanzeiger am 19.11.2003 folgende Bekanntmachung des LG München I (eine entsprechende Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger wurde am 12.12.2003 vorgenommen):

"Hier ist unter dem Aktenzeichen 5HK O 16202/03 ein aktienrechtliches Spruchverfahren gem. §§ 327 f. Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 306 AktG zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung anhängig, die der Hauptaktionär, die D. GmbH, München den Minderheitsaktionären der H.R.E./München für deren auf der Hauptversammlung vom 26.5.2003 beschlossenen Ausschluss aus der Gesellschaft angeboten hat.

Weitere Minderheitsaktionäre können binnen einer Frist von zwei Monaten nach dieser Bekanntmachung eigene Anträge stellen, § 327 f. Abs. 2 Nr. 3, 306 Abs. 3 Nr. 2 AktG.

Das Gericht weist vorsorglich darauf hin, dass ein Antrag vor der Eintragung dieser Maßnahme in das Handelsregister und vor In-Kraft-Treten des Spruchverfahrensneuordnungsgesetzes gestellt worden ist."

Die Antragsgegnerinnen haben erstinstanzlich die Anträge der Antragsteller - ausgenommen diejenigen der Antragsteller zu 10), 12) bis 14) - für unzulässig gehalten, weil sie den formalen Anforderungen des Spruchverfahrensgesetzes nicht genügten.

Mit Beschl. v. 7.10.2004 hat das LG die Anträge aller Antragsteller für zulässig erklärt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen, welche weiterhin die Unzulässigkeit der Anträge geltend machen, soweit nicht im Fall der Anträge 10 sowie 12 bis 14 deren Zulässigkeit zugestanden wird.

Der Senat hat mit Beschl. v. 22.7.2005 den Antragstellern zu 1), 11), 24), 33) und 35) den Nachweis aufgegeben, dass sie am 3.9.2003 - dem Tag der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister - Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1) waren. Nur die Antragsteller zu 1) und 33) haben entsprechende Nachweise vorgelegt.

II.1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gem. § 12 Abs. 1 und 2 SpruchG zu behandeln, weil es nach dem 1.9.2003 eingelegt wurde (vgl. § 17 Abs. 2 S. 2 SpruchG). Die Antragsgegnerinnen wenden sich damit gegen eine sie beschwerende Zwischenentscheidung des LG. Eine solche Entscheidung ist statthaft und beschwerdefähig (vgl. BayObLG v. 18.3.2002 - 3Z BR 6/02, BayObLGZ 2002, 56 [58] = AG 2002, 559 = BayObLGReport 2002, 314, m.w.N.; OLG Stuttgart v. 13.9.2004 - 20 W 13/04, AG 2005, 301 = OLGReport Stuttgart 2005, 18). Die Antragsgegnerinnen sind beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG). Die Entsche...

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