Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache. Beseitigung eines Wintergartens
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz gebietet bei befristeten Rechtsmitteln in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Verfassungs wegen eine Rechtsmittelbelehrung. Wird eine solche nicht erteilt und die Frist versäumt, ist grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Anfrage wegen beabsichtigter Abweichung von der Rechtsauffassung des 1. und 3. Zivilsenats).
Leitsatz (redaktionell)
Die den Beschlüssen zugrundeliegende Hauptsache hat sich erledigt, so daß für die in dem Beschluß vom 13.03.2001 ins Auge gefaßte Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts oder an den Bundesgerichtshof kein Raum mehr ist.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; WEG § 45 Abs. 1; FGG § 22 Abs. 2; GVG § 132 Abs. 3; EGGVG § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 23062/00) |
AG München (Aktenzeichen 482 UR II 868/99) |
Tenor
Beim 1. und 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts wird angefragt, ob an der Rechtsauffassung festgehalten wird, die den Beschlüssen vom 14. Oktober 1996 (1Z BR 219/96) sowie vom 30. Juli 1997 (3Z BR 157/97 = MDR 1997, 1057), 23. Februar 1999 (3Z BR 64/99) und 10. August 1999 (3Z BR 236/99 = BayObLGZ 1999, 232) zugrunde liegt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegner ist Eigentümer der Dachgeschoßwohnung Nr. 19. Er errichtete auf der ihm zur Sondernutzung zugewiesenen Dachoberfläche (Flachdach) einen Wintergarten.
Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung des Wintergartens zu verpflichten. Der durch einen Rechtsanwalt vertretene Antragsgegner ist diesem Antrag entgegengetreten. Am 30.10.2000 hat der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners dem Gericht mitgeteilt, daß er den Antragsgegner nicht mehr vertrete.
Durch Beschluß vom 2.11.2000 hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Beseitigung des Wintergartens verpflichtet. Der Beschluß wurde dem Antragsgegner persönlich am 7.11.2000 zugestellt. Eine Rechtsmittelbelehrung wurde dem Antragsgegner nicht erteilt. Am 30.11.2000 hat der nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners für diesen sofortige Beschwerde eingelegt und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist nachgesucht. Zur Begründung hat er vorgetragen, ein anderer Wohnungseigentümer habe dem Antragsgegner gesagt, die Frist zur Anfechtung der Entscheidung des Amtsgerichts betrage vier Wochen; das Amtsgericht habe dem Antragsgegner eine Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt.
Durch Beschluß vom 3.1.2001 hat das Landgericht dem Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die sofortige Beschwerde verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegner hätte sich wegen der Frist nicht auf die Auskunft eines Wohnungseigentümers verlassen dürfen; er hätte sich vielmehr entweder beim Wohnungseigentumsgericht oder bei einem Rechtsanwalt erkundigen müssen. Da er dies unterlassen habe, sei die Fristversäumung nicht unverschuldet. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.
II.
Der Senat möchte die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob bei befristeten Rechtsmitteln in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Verfassungs wegen eine Rechtsmittelbelehrung geboten ist, bejahen. Diese Rechtsfrage wurde vom 1. und 3. Zivilsenat verneint. Voraussetzung für eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen ist, daß die beiden Senate auf Anfrage erklären, an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG i.V.m. § 10 Abs. 1 EGGVG). Diese Anfrage stellt der erkennende Senat.
1. Über Wohnungseigentums Sachen ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden (§ 43 Abs. 1 WEG). Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts findet die sofortige Beschwerde statt und gegen die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht die sofortige weitere Beschwerde (§ 45 Abs. 1 WEG). Die sofortige und die sofortige weitere Beschwerde sind binnen einer Frist von zwei Wochen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FGG) einzulegen. Die sofortige Beschwerde kann beim Ausgangsgericht oder beim Beschwerdegericht durch eine Beschwerdeschrift oder zu Niederschrift der Geschäftsstelle eines dieser Gerichte eingelegt werden (§ 21 Abs. 1, 2 FGG). Die sofortige weitere Beschwerde kann auch beim Rechtsbeschwerdegericht eingelegt werden (§ 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 2 FGG). In diesem Fall muß bei Einlegung durch eine Beschwerdeschrift diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Eine Rechtsmittelbelehrung schreibt das Gesetz in Wohnungseigentumssachen nicht vor.
In anderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind grundsätzlich die unbefristete Beschwerde und weitere Beschwerde gegeben (§§ 19, 27 Abs. 1 FGG). In Einzelfällen sieht das Gesetz jedoch befristete Rec...