Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Zurückverweisung. Rechtsfolgenausspruch. Rechtsfolgenentscheidung. Rechtsfolgenbemessung. Bußgeld. Bußgeldbemessung. Fahrverbot. Wechselwirkung. Zumessungsfehler. Urteilsgründe. Handy. Mobiltelefon. Vorsatz. Pflichtenverstoß. Pflichtenverletzung. beharrlich. Beharrlichkeit. Regelfall. unbenannt. Feststellungen. Darstellung. Darstellungsmangel. lückenhaft. Aussagekraft. Vorahndung. Vorahndungslage. Vorahndungssituation. Gesinnung. rechtstreu. Unrechtseinsicht. Vorwarnung. Zeitmoment. Zeitablauf. Rechtskrafteintritt. Tatzeit. Rückfallgeschwindigkeit. Tatschwere. Gewichtung. FAER. Fahrerlaubnisregister. Bezugnahme. Verteidigungsverhalten. Bestreiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich.

2. Zulässiges Verteidigungsverhalten eines Betroffenen, wie etwa das Bestreiten des Tatvorwurfs, darf bei der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.

3. Einem Betroffenen, der den Tatvorwurf bestreitet, darf bei der Bemessung der Bußgeldhöhe eine "uneinsichtige Haltung" nicht angelastet werden.

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; StVO § 23 Abs. 1a; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2; OWiG § 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, Abs. 6, § 80a Abs. 1; StPO § 349 Abs. 2, § 353

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Entscheidung vom 04.07.2022)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 04.07.2022 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

  • III.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rosenheim zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 04.07.2022 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen verbotswidrigen Benutzens eines elektronischen Geräts (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 200 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat beantragt, die Rechtsbeschwerde durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde erzielt den aus Ziffer I. des Beschlusstenors ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

2. Dagegen hat der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand. Aufgrund der lückenhaften Feststellungen zu den für die Rechtsfolgenentscheidung bestimmenden Vorahndungen kann der Senat nicht überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei getroffen wurde. Zudem sind zur Rechtsfolgenbemessung angestellte Erwägungen durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Insbesondere für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers außerhalb eines Regelfalls gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich. Denn die Beharrlichkeit setzt gerade voraus, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes und noch verwertbares Unrecht fehlt, indem er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt. Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als nicht nur der Zeitablauf zwischen dem jeweiligen Eintritt der Rechtskraft der Vorahndungen, sondern auch zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 10.05.2021 - 201 ObOWi 445/21 = Blutalkohol 58, 260 (2021) = VerkMitt 2021, Nr 51 = NStZ-RR 2021, 351 = OLGSt StVG § 25 Nr 87; 17.07.2019 - 202 ObOWi 1065/19 = ACE-Verkehrsjurist 2019, Nr 3, 13 = OLGSt StVG § 25 Nr 73). Aufgrund dessen genügt ein tatrichterliches Urteil regelmäßig nur dann den Erfordernissen an eine rechtsfehlerfreie Darstellung, wenn die Vorahndungen nach Art des Verkehrsverstoßes, Tatzeit, angeordneten Rechtsfolgen, Entscheidungsdaten und Zeitpunkten des Rechtskrafteintritts im Einzelnen wiedergeben werden, soweit die Vorahndungen noch verwertbar sind.

b) Diesen Anforderungen werden Urteilsgründe nicht gerecht. Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse wird zwa...

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