Leitsatz (amtlich)
Liegen mehrere, verschiedenen Personen erteilte Vorsorgevollmachten vor, ist aber zweifelhaft, welche von diesen wirksam ist, so ist diese Frage im Verfahren über die Anordnung einer Betreuung aufzuklären. Kann die Frage nicht geklärt werden, ist ein Betreuungsverfahren durchzuführen, weil in diesem Falle die Angelegenheiten der Betroffenen durch einen Bevollmächtigten nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Ansbach (Beschluss vom 11.06.2003; Aktenzeichen 4 T 285/03) |
AG Ansbach (Beschluss vom 26.03.2003; Aktenzeichen XVII 174/03) |
Tenor
Der Beschluss des LG Ansbach vom 11.6.2003 und der Beschluss des AG Ansbach vom 26.3.2003 werden aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das AG Ansbach zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Betroffene, bei der schon vor einiger Zeit ein dementielles Syndrom festgestellt wurde, wohnt in einem Altenheim in der Nähe ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2), die als Krankenschwester ausgebildet ist und sie bislang betreut. Am 19.5.2000 erteilte die Betroffene ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1), eine als Vorsorgevollmacht betitelte widerrufliche Generalvollmacht, sie in allen persönlichen Angelegenheiten „in jeder denkbaren Richtung” zu vertreten. Die Vollmacht ist notariell beurkundet. Am 26.6.2001 erteilte die Betroffene ihrer Tochter eine (weitere) formularmäßig vorformulierte Vorsorgevollmacht. Hiernach wurde (auch) die Tochter bevollmächtigt, die Betroffene in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Die Unterschrift der Betroffenen wurde notariell beglaubigt. Mit Erklärung vom 27.12.2002, dem Beteiligten zu 1) spätestens mitgeteilt mit Schreiben vom 7.3.2003, widerrief die Betroffene die ihrem Sohn erteilte Generalvollmacht. Zugleich bestätigte sie nochmals die ihrer Tochter erteilte Vollmacht. Die Unterschrift der Betroffenen wurde wiederum notariell beglaubigt. Auf die Erklärung aufgesetzt findet sich ferner ein Attest des Hausarztes der Betroffenen, wonach diese seiner Überzeugung nach zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung voll geschäftsfähig gewesen sei.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20.3.2003 regte der Beteiligte zu 1) an, für seine Mutter Betreuung anzuordnen bezüglich aller Rechtsgeschäfte, der Aufenthaltsbestimmung sowie der Gesundheitsfürsorge. Das AG stellte das hierauf eingeleitete Betreuungsverfahren nach Intervention der Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 26.3.2003 ein, ohne eine Betreuung anzuordnen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das LG mit Beschluss vom 11.6.2003 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1).
II. Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Es könne dahinstehen, ob die Betroffene in der Lage sei, ihre Angelegenheiten derzeit selbst zu regeln. Ein Bedürfnis für die Anordnung einer Betreuung bestehe derzeit nicht, weil zumindest eine wirksame Vollmacht erteilt sei. Zwar stehe auch eine umfassende Vollmacht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung bestünden. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor; es sei vielmehr nicht zweifelhaft, dass eine der beiden den Beteiligten erteilten Vollmachten wirksam sei. Ein dringendes Bedürfnis zur Bestellung eines Betreuers für die Zeit bis zur Klärung der Frage, welche der Vollmachten nun wirksam sei, bestehe offensichtlich nicht.
2. Die Entscheidung des LG kann nach Auffassung des Senats der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht standhalten.
a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das VormG ihm einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt daneben voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht mehr frei bestimmen kann (BayObLG FamRZ 1998, 454 [455]). Ein Betreuer darf darüber hinaus nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten, der nicht dem gesetzlich als Betreuer ausgeschlossenen Personenkreis angehört, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 BGB).
b) Im vorliegenden Fall bedarf es weiterer Sachaufklärung (§ 12 FGG), ob die Anordnung einer Betreuung erforderlich ist.
aa) Die Betroffene hat zunächst ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1), eine Vorsorgevollmacht erteilt. Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Vollmacht nicht mehr geschäftsfähig gewesen und die Vollmacht ...