Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Schlusserbschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Kann der überlebende Ehegatte die Schlußerbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit seiner ersten Ehefrau anfechten, weil er nach deren Tod erneut geheiratet hat, so beginnt die Anfechtungsfrist nur zu laufen, wenn sich der Anfechtungsberechtigte im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung ohne weitere Gedächtnishilfe an die Schlußerbeneinsetzung erinnern würde, falls er sich mit der Frage der Nachlaßregelung befassen sollte.
2. Zum Umfang der Ermittlungspflichten des Nachlaßgerichts zur Feststellungslast in einem solchen Fall.
Normenkette
BGB §§ 2079, 2271 Abs. 1, §§ 2283, 2285, 2358 Abs. 1, § 2361 Abs. 3; FGG § 12
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 17. Januar 1994 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der am 24.1.1993 im Alter von 80 Jahren verstorbene Erblasser war zweimal verheiratet. Die Beteiligte zu 1 ist seine Tochter aus erster Ehe, die Beteiligte zu 2 seine zweite Ehefrau, mit der er im gesetzlichen Güterstand gelebt hat. Weitere Abkömmlinge des Erblassers sind nicht vorhanden.
Zusammen mit seiner ersten Ehefrau hat der Erblasser zwei handschriftliche Testamente vom 24.8.1986 und 8.8.1988 verfaßt, in denen sich die Ehegatten jeweils gegenseitig zu Alleinerben und ihre Tochter zur Erbin des letztversterbenden eingesetzt haben. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Juni 1989 und seiner Wiederverheiratung am 9.11.1990 hat der Erblasser zu notarieller Urkunde vom 9.12.1992 mit seiner zweiten Ehefrau einen Erbvertrag geschlossen, in dem die Eheleute alle früheren von ihnen errichteten Verfügungen von Todes wegen widerrufen und sich gegenseitig zum alleinigen und unbeschränkten Erben des Erstversterbenden eingesetzt haben. Die Urkunde enthält u.a. die Feststellung der Eheleute, daß sie an der Errichtung nicht durch bindende Verfügungen von Todes wegen (Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament) gehindert seien. Ferner liegen drei jeweils als Testament bezeichnete Schriftstücke vom 14.11.1990, 23.4.1991 und 6./10.8.1991 vor, in denen sich die Eheleute jeweils gegenseitig als Erben einsetzen; die Tochter bestreitet die Echtheit dieser Urkunden.
Die Tochter hat einen Erbschein als Alleinerbin beantragt. Nach ihrer Ansicht sind für die Erbfolge die letztwilligen Verfügungen vom 24.8.1986 und 8.8.1988 maßgebend. Die zweite Ehefrau hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 5.5.1993 an das Nachlaßgericht die Anfechtung dieser Verfügungen wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten erklärt. Sie ist der Ansicht, daß dadurch die Verfügungen unwirksam geworden seien, so daß sich die Erbfolge nunmehr nach dem Erbvertrag richte. Die Testamente mit der ersten Ehefrau seien dem Erblasser offensichtlich aus seiner Erinnerung entschwunden gewesen. Dadurch sei der Ablauf der Anfechtungsfrist gehemmt worden, so daß die Anfechtung noch rechtzeitig erklärt worden sei.
Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 4.8.1993 die Erteilung eines Erbscheins bewilligt, wonach der Erblasser von seiner Tochter allein beerbt worden ist. Auf Beschwerde der zweiten Ehefrau, der das Nachlaßgericht nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht mit Beschluß vom 17.1.1994 das Nachlaßgericht angewiesen, den erteilten Erbschein einzuziehen, und den Antrag der Tochter auf Erteilung eines Alleinerbscheins abgewiesen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht angeordnet worden. Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens hat das Landgericht auf 1,5 Mio. DM festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwer der Tochter, mit der sie die Aufhebung der landgerichtlich Entscheidung und die Überbürdung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Beteiligte zu 2 erstrebt. Diese tritt dem Rechtsmittel entgegen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die weitere Beschwerde ist statthaft. Nach den Ermittlungen des Landgerichts hat das Nachlaßgericht den bewilligen Erbschein bereits erteilt. Gegen die Anordnung seiner Einziehung durch das Beschwerdegericht ist, da die erteilte Ausfertigung noch nicht an das Nachlaßgericht zurückgegeben ist, die weitere Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung dieser Anordnung gegeben (Jansen FGG 2. Aufl. § 84 Rn. und 22).
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der erteilte Erbschein sei einzuziehen, da die Tochter nicht Alleinerbin sei. Bei der Schlußerbeneinsetzung in den beiden gemeinschaftlichen Testamenten aus den Jahren 1986 und 1988 handele es sich zwar jeweils um eine wechselbezügliche Verfügung, die nach dem Tod der ersten Ehefrau nicht mehr habe widerrufen werden können. Daher sei die Tochter zunächst Alleinerbin geworden. Diese Alleinerbenstellung sei jedoch durch die Anfechtung der Verfügungen durch die zweite Ehefrau bes...