Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach dem Tode des Mündels haftet dessen Erbe gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836e Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BGB der Staatskasse nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Dieser besteht in dem vom Erblasser hinterlassenen Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören nicht lediglich die im Zeitpunkt des Erbfalls bereits vorhandenen rechtlichen Verpflichtungen des Erblassers (§ 1967 Abs. 2 BGB), vielmehr sind auch solche Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, deren Rechtsgrund bereits beim Erbfall bestand, jedenfalls soweit sie wegen ihrer Zwangsläufigkeit für die Erben nach Sinn und Zweck des § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB Vorrang vor dem Rückgriffsanspruch der Staatskasse beanspruchen können. Hierunter fallen insbesondere auch die Kosten einer angemessenen Beerdigung.

 

Normenkette

BGB § 1908i Abs. 1 S. 1, § 1836e Abs. 1 S. 3 Hs. 1

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 12.09.2001; Aktenzeichen 11 T 149/01)

AG Bad Kissingen (Aktenzeichen XVII 375/99)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 12. September 2001 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht bestellte am 18.1.2000 für die Betroffene, die am 29.3.2001 verstorben ist, einen Berufsbetreuer. Dieser beantragte mit Schreiben vom 10.4.2001 die Festsetzung von Vergütung und Auslagenersatz im Gesamtbetrag von 805,36 DM (einschließlich MWSt) aus dem Nachlaß der Betroffenen. Das Amtsgericht beschloß am 28.5.2001, daß dem Betreuer Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 805,36 DM aus der Staatskasse zu erstatten seien (Nr. 1 des Tenors) und ein Rückgriff gemäß § 1836e BGB nicht stattfinde (Nr. 2 des Tenors). Die sofortige Beschwerde der Staatskasse, die auf die Nichtanordnung eines Rückgriffs beschränkt war, hat das Landgericht am 12.9.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Staatskasse mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde. Sie begehrt die Festsetzung eines Betrages von 515,31 DM, den die Erben der verstorbenen Betroffenen im Wege des Rückgriffs an die Staatskasse zu zahlen hätten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung unter teilweiser Bezugnahme auf den Beschluß des Amtsgerichts wie folgt begründet:

Zum Zeitpunkt ihres Todes habe die Betroffene ein Vermögen von 3.701,00 DM besessen. Der vom Amtsgericht für Vergütung und Aufwendungsersatz festgesetzte Betrag von 805,16 DM treffe zu. Entscheidend sei die Rechtsfrage, ob die Beerdigungskosten bereits bei der Bestimmung des Nachlaßwertes in Ansatz zu bringen seien oder erst im Rahmen des zu berücksichtigenden Freibetrages gemäß den § 56g Abs. 3 Satz 1 FGG; § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB; § 92c Abs. 3 Nr. 1 BSHG. Nach Auffassung der Kammer treffe ersteres zu. Bei den Beerdigungskosten handle es sich um Nachlaßverbindlichkeiten. Der gemäß § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB zu berücksichtigende Nachlaßwert errechne sich aus der Differenz von Aktivvermögen und der Nachlaßverbindlichkeiten. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, daß ein Aktivnachlaßvermögen nicht vorliege. Dem „Reinnachlaß” nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten gemäß der vom Betreuer am 15.5.2001 übergebenen Aufstellung in Höhe von 1.288,22 DM stünden nach Abzug des Sterbegeldes in Höhe von 2.100,00 DM Beerdigungskosten in Höhe von 2.391,09 DM gegenüber. Ein Rückgriff der Staatskasse auf den Nachlaß sei daher nicht zulässig.

2. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erstbeschwerde zurückgewiesen.

  1. Da die Erstbeschwerde auf die Ablehnung des Rückgriffs der Staatskasse auf den Nachlaß (Nr. 2 des Beschlusses des Amtsgerichts) beschränkt war, ist Gegenstand der weiteren Beschwerde nur diese Frage. Zur Prüfung, ob die Vergütung des Betreuers zu Recht gegen die Staatskasse festgesetzt wurde (vgl. Thüringer OLG FGPrax 2002, 32), ist der Senat nicht berufen.
  2. Die Begründung der Kammer, ein Rückgriff der Staatskasse auf den Nachlaß sei nicht zulässig, da gemäß der vom Betreuer übergebenen Aufstellung dem „Reinnachlaß” nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten in Höhe von 1.288,22 DM Beerdigungskosten (nach Abzug des Sterbegelds) in Höhe von 2.391,09 DM gegenüberstünden, trifft nicht zu. Diese Kosten sind nämlich in der Aufstellung bereits als Verbindlichkeiten berücksichtigt. Der Nachlaß beliefe sich ohne Berücksichtigung der Beerdigungskosten sonach auf 3.679,31 DM.
  3. Dieser Fehler des Beschwerdegerichts zwingt aber nicht dazu, die Sache an dieses zurückzuverweisen; der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen mehr bedarf (vgl. OLG Zweibrücken NJWE-FER 1999, 240).

Zutreffend hat das Amtsgericht den Rückgriff der Staatskasse auf den Nachlaß verneint. Nach dem Tode des Mündels haftet dessen Erbe gemäß § 1908i Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 1836e Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BGB der Staatskasse nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erb...

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