Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung des Betroffenen vor Betreuerbestellung
Leitsatz (amtlich)
1. Vor einer Betreuerbestellung ist auch zur Klärung der Frage, welche Person zum Betreuer bestimmt werden soll, die persönliche Anhörung des Betroffenen oder zumindest die Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks durch das Gericht unumgänglich notwendig. Ist das Amtsgericht dieser Pflicht nicht nachgekommen, weil sich der Betroffene auf der Intensivstation befand, hat das Beschwerdegericht die gebotenen Verfahrenshandlungen nachzuholen, auch wenn die Beschwerde auf die Frage der Betreuerauswahl beschränkt ist.
2. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers entbindet das Beschwerdegericht nicht von dieser Verpflichtung.
Normenkette
FGG §§ 67, 68b Abs. 2
Verfahrensgang
LG Passau (Aktenzeichen 2 T 56/01) |
AG Freyung (Aktenzeichen XVII 13/01) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG Passau vom 3.9.2001 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Passau zurückverwiesen.
Gründe
I. Das AG bestellte für die Betroffene am 12.2.2001 ihren Ehemann zum Betreuer für verschiedene Aufgabenkreise, darunter Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge.
Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte, die Mutter der Betroffenen, Beschwerde ein, um ihre eigene Bestellung als Betreuerin, hilfsweise als Mitbetreuerin zu erreichen.
Das LG hat die Beschwerde am 3.9.2001 zurückgewiesen.
Mit ihrer weiteren Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss verfolgt die Mutter ihr Beschwerdeziel weiter.
II. Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Dieses hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt (§ 12 FGG).
1. Zu Recht ist das LG von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Die Beschwerdeberechtigung der Mutter ergibt sich aus § 69g Abs. 1 FGG, da die Bestellung eines Betreuers auch die Auswahl des Betreuers mitumfasst (BayObLG v. 22.11.1995 – 3Z BR 230/95, BayObLGReport 1996, 29 = MDR 1996, 286 = FamRZ 1996, 507). Gegen die Wirksamkeit einer auf die Auswahl des Betreuers beschränkten Teilanfechtung bestehen keine Bedenken (BayObLG v. 22.11.1995 – 3Z BR 230/95, BayObLGReport 1996, 29 = MDR 1996, 286 = FamRZ 1996, 507; v. 14.6.1995 – 3Z BR 133/95, BayObLGZ 1995, 220 = MDR 1995, 1146 = BayObLGReport 1995, 77).
2. Das LG hat aber eine durch das Gesetz zwingend vorgeschriebene Ermittlungshandlung nicht durchgeführt. Es hätte insbesondere nicht davon absehen dürfen, sich von der Betroffenen einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen.
a) Nach § 68 Abs. 1 S. 1 FGG hat das Gericht vor der Bestellung eines Betreuers den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen. Nach § 68 Abs. 2 FGG kann zwar die persönliche Anhörung des Betroffenen unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten von der Anhörung erhebliche gesundheitliche Nachteile für den Betroffenen zu besorgen sind oder nach dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts der Betroffene offensichtlich nicht dazu in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Aber auch in diesem Fall hat sich das Gericht zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion gegenüber Zeugen und Sachverständigen den nach § 68 Abs. 1 S. 1 FGG gebotenen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (Keidel/Kayser, FGG, 14. Aufl., § 68 Rz. 13; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 68 FGG Rz. 37; Jürgens, BtR, 2. Aufl., § 68 FGG Rz. 10), auch um festzustellen, ob der Betroffene in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Diese Vorschriften gelten auch für das Beschwerdeverfahren (§ 69g Abs. 5 FGG); das Beschwerdegericht kann nur dann davon absehen, den Betroffenen persönlich anzuhören oder sich zumindest einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen, wenn diese Verfahrenshandlungen bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden sind und von einer erneuten Vornahme keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 69g Abs. 5 S. 3 FGG). Diese Verfahrensvorschriften betreffen nicht nur die Klärung der Frage, ob überhaupt eine Betreuung anzuordnen ist, sondern auch, welche Vorstellungen der Betroffene zur Person des Betreuers hat (vgl. Keidel/Kayser, § 68 Rz. 9; KG v. 26.1.1995 – 1 W 7060/94, KGReport Berlin 1995, 69 = FamRZ 1995, 1442 [1446]). Die Äußerungen des Betroffenen zur Person des Betreuers sind keine Willenserklärungen, so dass auch Äußerungen eines Geschäftsunfähigen, wenn sie von seinem natürlichen Willen getragen werden, zu berücksichtigen sind (vgl. BayObLG v. 17.5.1995 – 3Z BR 91/95, BayObLGReport 1995, 78 = FamRZ 1995, 1596; OLG Hamm v. 30.5.1996 – 15 W 122/96, FamRZ 1996, 1372; OLG Düsseldorf v. 12.6.1996 – 25 Wx 8/96, OLGReport Düsseldorf 1996, 284 = FamRZ 1996, 1373; v. 7.10.1997 – 25 Wx 55/97, OLGReport Düsseldorf 1998, 106 = FamRZ 1998, 510), wobei dem Wunsch des Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BGB Vorrang eingeräumt ist.
b) Das AG hat die Betroffene, welche sich zum Zeitpunkt der Betreu...