Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 2 BGB greift nur ein, wenn nicht ein anderer Wille des Erblassers feststeht.

 

Normenkette

BGB § 2102 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Beschluss vom 06.02.1997; Aktenzeichen 3 T 7/97)

AG Forchheim (Beschluss vom 25.11.1996; Aktenzeichen VI 241/89)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts Bamberg vom 6. Februar 1997 und des Amtsgerichts Forchheim vom 25. November 1996 aufgehoben.

II. Das Nachlaßgericht Forchheim wird angewiesen, den Erbschein vom 12. Juli 1989 einzuziehen sowie entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, in dem bezeugt wird, daß die Beteiligte zu 1 seit dem 14. Dezember 1994 den Erblasser allein beerbt hat.

III. Der Beteiligten zu 2 wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren rückwirkend zum 26.Mai 1997 Prozeßkostenhilfe bewilligt; ihr wird Rechtsanwalt R. beigeordnet.

IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 107.500 festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der 1989 im Alter von 78 Jahren verstorbene Erblasser war in zweiter, kinderloser Ehe verheiratet. Die Beteiligte zu 1, seine Tochter aus erster Ehe, ist sein einziger Abkömmling. Die zweite Ehefrau des Erblassers ist am 14.12.1994 nachverstorben. Deren Erbin ist die Beteiligte zu 2. Zum Nachlaß gehört eine Doppelhaushälfte sowie Geldvermögen.

Der Erblasser hat ein handschriftliches Testament vom 20.6.1988 hinterlassen. Es lautet wie folgt:

„Unser Haus und Grundstück in B. … sowie die Einrichtung und alle Ersparnisse sollen nach meinem Tode uneingeschränkt meiner Frau … als Besitz erhalten bleiben.

Die für den Hauskauf in R. … an meine Tochter (Beteiligte zu 1) und deren Mann … übergebenen DM 40.000,– sollen als einstweiliger Pflichtanteil angesehen werden.

Wenn wir Beide verstorben sind, soll meine Tochter alleinige Erbin sein unter folgenden Auflagen:

  1. Sie hat Sorge zu tragen für das Begräbnis für die üblichen Kosten, die Anpflanzung des Grabes ….. sowie die Ergänzung und Erneuerung des Grabsteines.
  2. An das kath. Pfarramt … sind DM 4.000,– zu geben. Damit soll die Grabanpflanzung dreimal jährlich und die die Grabpflege, besonders Giesen abgegolten werden. Die Grabgebühr ist bereits bis 2010 bezahlt und muß nach Ablauf erneuert werden.
  3. An das Franziskanerkloster in G. sollen DM 3.000,– übergeben werden für 50 Gedenkgottesdienste.
  4. Falls die Tochter und Schwiegersohn unsere Hunde nicht übernehmen, sollen sie in das Tierheim F. gebracht werden, mit DM 4.000,–. Sie dürfen nur an ganz gute Plätze vermittelt werden und möglichst zusammen bleiben. An das Tierheim K. sollen DM 1.000,– übergeben werden.”

Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 12.7.1989 einen Erbschein erteilt, der die zweite Ehefrau des Erblassers als Alleinerbin auf Grund des Testaments vom 20.6.1988 ausweist.

Nach deren Tod hat die Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 18.10.1996 beim Nachlaßgericht beantragt, den Erbschein vom 12.7.1989 einzuziehen sowie einen Erbschein zu erteilen, der sie als alleinige Nacherbin ihres Vaters ausweisen soll. Hierzu hat sie vorgetragen, durch das Testament vom 20.6.1988 habe der Erblasser seine zweite Ehefrau als Vorerbin und sie selbst als Nacherbin eingesetzt. Die Beteiligte zu 2 ist dem Antrag entgegengetreten.

Mit Beschluß vom 25.11.1996 hat das Nachlaßgericht die Anträge der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom 6.2.1997 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 2 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten. Sie hat für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe beantragt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen sowie zur Anweisung an das Nachlaßgericht, den Erbschein vom 12.7.1989 als unrichtig einzuziehen und den von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein zu erteilen.

1. Das Landgericht hat die Zulässigkeit der Erstbeschwerde (vgl. BayObLGZ 1995, 120/123 m.w.N.) zu Recht bejaht. Die Beteiligte zu 1 wendet sich sowohl gegen die Ablehnung der Erbscheinseinziehung als auch gegen die Ablehnung der Erteilung des von ihr beantragten Erbscheins. Sie macht geltend, Nacherbin zu sein und war daher berechtigt, gegen die Ablehnung der Einziehung des ohne Nacherbenvermerk (§ 2363 Abs. 1 BGB) erteilten Erbscheins Beschwerde einzulegen (§ 20 Abs. 1 FGG; vgl. BayObLGZ 1996, 69/72; Palandt/Edenhofer BGB 57. Aufl. § 2363 Rn. 9). Soweit das Nachlaßgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen hat, sind auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 FGG gegeben.

2. In der Sache hat das Landgericht ausgeführt:

Der Erblasser habe in seinem Testament vom 20.6.1988 keine Vor- und Nacherbfolge angeordnet. Dies ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, daß die Beteiligte zu 1 unmittelbar im Anschluß an die uneingeschränkte Erbeinsetzung der Ehefrau ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?