Leitsatz (amtlich)
1. Ordnet das VormG selbst die zivilrechtliche Unterbringung des Betroffenen an, ist es verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass dem Betroffenen unverzüglich ein (vorläufiger) Betreuer zur Seite gestellt wird. Unterlässt das Gericht Maßnahmen dieser Art, ist die Anordnung der Unterbringung unzulässig.
2. Gleiches gilt für ergänzende Anordnungen des Gerichts betreffend die ärztliche Behandlung des Betroffenen und/oder Maßnahmen der Körperpflege, soweit diese Anordnungen nicht sofort zu vollziehen sind und damit noch Raum für die Bestellung eines Betreuers ist.
Normenkette
FGG § 70h Abs. 3; BGB §§ 1846, 1908i Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 13 T 6723/00) |
AG München (Aktenzeichen 715 XVII 2084/00) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG München I vom 3.5.2000 wird in Ziff. II aufgehoben, soweit das Rechtsmittel der Betroffenen gegen die Anordnung ihrer vorläufigen Unterbringung und die Einwilligung in ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zurückgewiesen wurde.
Es wird festgestellt, dass die Anordnung der vorläufigen Unterbringung gem. § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB sowie die Einwilligung in ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen durch den Beschluss des AG München vom 4.4.2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist.
II. Im Übrigen wird das Rechtsmittel der Betroffenen gegen Ziff. II des Beschlusses des LG München I vom 3.5.2000 zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 4.4.2000 ordnete das AG gem. § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 16.5.2000 an. Daneben traf es freiheitsentziehende Maßnahmen und stimmte einem ärztlichen Behandlungsplan zu. Ergänzend gestattete es, der Betroffenen die Haare zu schneiden.
Die Betroffene ist am 28.4.2000 von einem Stadtausgang nicht mehr zurückgekehrt. Der Unterbringungsbeschluss wurde daraufhin aufgehoben. Ein (vorläufiger) Betreuer war bis zu diesem Zeitpunkt nicht bestimmt worden.
Mit Beschluss vom 3.5.2000 hat das LG auf sofortige Beschwerde den Beschluss des AG hinsichtlich der freiheitsentziehenden Maßnahmen aufgehoben und i.Ü. das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen.
Der Senat hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 14.11.2001 verworfen, soweit es gegen den der Erstbeschwerde stattgebenden Teil der Beschwerdeentscheidung gerichtet war. Im Übrigen hat der Senat das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des BGH in einem Parallelverfahren ausgesetzt.
Der BGH hat in dem Parallelverfahren am 13.2.2002 entschieden (BGH v. 13.2.2002 – XII ZB 191/00, BGHReport 2002, 495 = MDR 2002, 762).
II. Soweit über das Rechtsmittel der Betroffenen noch zu befinden ist, ist es trotz zwischenzeitlich eingetretener Erledigung in der Hauptsache zulässig. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seinen Beschluss vom 14.11.2001 in gleicher Sache. In Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe ist nach st. Rspr. des Senats ein Rechtsschutzinteresse für die gerichtliche Prüfung ungeachtet prozessualer Überholung grundsätzlich zu bejahen, wenn sich wie hier die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf einen Zeitraum beschränkt, in welchem der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung vorgegebenen Instanz kaum erlangen kann (vgl. BayObLGZ 1999, 24 m.w.N.; weiter gehend für freiheitsentziehende Maßnahmen nunmehr BVerfG InfAuslR 2002, 132).
Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.
1. Das LG hat ausgeführt, die Betroffene leide ärztlichen Feststellungen zufolge an einer chronischen paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie, die ihr nicht erlaube, ihren Willen in Bezug auf die Erkrankung und die damit zusammenhängenden Entscheidungen zu bilden. Aus der Wahnbeherrschtheit der Betroffenen resultiere, dass sie sich selbst und Dritte gefährde. Was den vom AG verordneten Haarschnitt betreffe, so seien die Haare der Betroffenen infolge von Verwahrlosung durch Läuse und Spinnen befallen gewesen. Es habe Seuchengefahr bestanden.
Zu den Darlegungen des LG im Einzelnen wird wiederum auf den Senatsbeschluss vom 14.11.2001 verwiesen.
2. Hinsichtlich der angeordneten Unterbringung der Betroffenen ist der Beschluss des LG nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 ZPO). Dies ist unabhängig von der Frage, ob sachlich die Voraussetzungen für eine privatrechtliche Unterbringung der Betroffenen vorgelegen haben, schon deshalb festzustellen, weil das VormG bei Anordnung der Unterbringung nicht dafür Sorge getragen hat, für die Betroffene unverzüglich einen Betreuer zu bestellen.
a) Das VormG hat im vorliegenden Falle eine einstweilige Anordnung nach § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB getroffen, also anstelle eines Betreuers gehandelt und die Betroffene selbst untergebracht. Dies ist durch die Verweisung auf § 1846 BGB in § 1908i Abs. 1 BGB dem Grunde nach möglich. Das VormG kann nach § 1846 BGB die ...