Entscheidungsstichwort (Thema)
Abstandsverstoß. Fahrverbot. Einspruch. Verwerfungsurteil. Rechtsbeschwerde. Verfahrensrüge. Fürsorgepflicht. Aufklärungspflicht. Terminsladung. Terminverlegung. Verlegungsgesuch. Verhinderung. Entschuldigung. Entschuldigungsgrund. schuldhaft. Pflichtverletzung. Beruf. beruflich. TV. TV-Sender. Fernsehkoch. live. Livesendung. Beschleunigungsgrundsatz. Glaubhaftmachung. unaufschiebbar. unzumutbar. Interessenabwägung. Freibeweis. Schlüssigkeit. Obliegenheit zur Darlegung der Verhinderung aus dringenden beruflichen Gründen
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Verhinderung aus dringenden beruflichen Gründen geltend gemacht, welche nicht offenkundig sind, obliegt es dem Betroffenen, dem Gericht vor dem Termin die Art der Geschäfte selbst, deren Wichtigkeit und ihre unaufschiebbare Dringlichkeit im Einzelnen darzulegen. Nur in diesem Fall kann eine Pflicht des Gerichts erwachsen, dem Vortrag gegebenenfalls im Wege des Freibeweises nachzugehen. Eine andere Sicht ist mit Sinn und Zweck der auf Verfahrensbeschleunigung abzielenden Vorschrift des § 74 Abs. 2 OWiG nicht vereinbar (u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 27.06.2002 - 2 ObOWi 268/02 = NStZ 2003, 98 und OLG Bamberg, Beschl. v. 14.01.2009 - 2 Ss OWi 1538/08 = OLGSt OWiG § 74 Nr 19 ).
Normenkette
StVG §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a; StVO § 4 Abs. 1; OWiG § 74 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt verhängte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 10.09.2018 wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug eine Geldbuße von 200 Euro sowie wegen des beharrlichen Pflichtenverstoßes ein mit der Vollstreckungserleichterung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen verwarf das Amtsgericht mit Urteil vom 09.01.2019 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG , weil der Betroffene - ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden zu sein - in der Hauptverhandlung vom 09.01.2019 unentschuldigt nicht erschienen sei. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hob der Senat das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts vom 09.01.2019 mit Beschluss vom 02.04.2019 auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück, da es sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt hatte, ob es die prozessuale Fürsorgepflicht geboten hätte, dem Terminverlegungsgesuch des nach eigenem Bekunden akut erkrankten Verteidigers stattzugeben. Nach entsprechender Terminabsprache mit der Kanzlei des Verteidigers bestimmte das Amtsgericht mit Verfügung vom 10.04.2019 erneut Termin zur Hauptverhandlung auf 06.05.2019 um 08:10 Uhr. Die Terminsladung wurde dem Betroffenen sowie seinem Verteidiger jeweils am 12.04.2019 förmlich zugestellt. Mit am selben Tage bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 02.05.2019 lehnte der Betroffene den zuständigen Richter am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies mit der Ablehnung des Terminverlegungsgesuchs vom 09.01.2019. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 03.05.2019, dem Verteidiger mitgeteilt per Telefax am selben Tage, wurde das Ablehnungsgesuch des Betroffenen vom 02.05.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 03.05.2019, welcher am 03.05.2019 (Freitag) um 11:46 Uhr bei dem Amtsgericht einging, beantragte der Betroffene, den auf 06.05.2019 (Montag) um 08:10 Uhr bestimmten Termin wegen beruflicher Verhinderung zu verlegen. Er sei als Fernsehkoch tätig und habe erstmals von seinem Sender die Chance bekommen, an der Livesendung vom 05.05.2019 teilzunehmen. Hierbei habe ihn der Sender als Fernsehkoch an eine Familie verlost, mit der er live vor der Kamera ein umfangreiches Menü koche. Daran schließe sich nach dem Ende der Livesendung um 19.30 Uhr der private Teil an, bei dem er den Gewinnern vereinbarungsgemäß den Rest des Abends "Open End" zur Verfügung stehe. Würde er an diesem "bereits seit längerer Zeit gebuchten Termin" nicht teilnehmen, sähe er sich einem erheblichen Imageschaden, aber auch dem drohenden Verlust künftiger beruflicher Chancen bei dem TV-Sender sowie erheblichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt. Seitens des Senders seien an der Livesendung ca. 50 Personen beteiligt. Dem Terminverlegungsgesuch waren umfangreiche schriftliche Unterlagen beigefügt, darunter die "Disposition" des Senders (Stand 30.04.2019), aus welcher sich u.a. der genaue Ablauf der Fernsehproduktion ergibt, eine E-Mail Nachricht des Senders an den Betroffenen vom 30.04.2019 mit organisatorischen Hinweisen sowie einer unter dem 18.04.2019 erfolgten Buchungsbestätigung für ein elektronisches Flugticket, welches die An...