Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderung. Bestimmung des zuständigen Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Streitgenossenschaft bei Klage gegen mehrere gleichrangige Unterhaltsschuldner.

 

Normenkette

BGB § 1606; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60

 

Verfahrensgang

AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 1 F 17/99)

AG Hattingen (Aktenzeichen 9 F 12/99)

 

Tenor

Als örtlich zuständig wird das Amtsgericht Hattingen bestimmt.

 

Tatbestand

I.

Der verstorbene Vater der Beklagten war in den letzten Jahren seines Lebens in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht. Die Klägerin, eine Stadt in Nordrhein-Westfalen, hat von 1994 bis 1996 für dessen Unterbringung Hilfe zur Pflege gemäß § 78 BSHG in Höhe von mehr als 57.000 DM geleistet. Sie nimmt nunmehr die beiden Beklagten aus übergeleitetem Recht (§ 90, 91 BSHG) auf rückständigen Unterhalt in Anspruch, und zwar den Beklagten zu 1 auf Zahlung von 17.935 DM, den Beklagten zu 2 auf Zahlung von 39.774,22 DM. Gegen die von der Klägerin beantragten Mahnbescheide haben die Beklagten Widerspruch eingelegt. Daraufhin hat das Mahngericht das Verfahren gegen den Beklagten zu 1 an das für dessen Wohnsitz zuständige Amtsgericht Hattingen (Eingang 15.1.1999), das Verfahren gegen den Beklagten zu 2 an das für dessen Wohnsitz zuständige Amtsgericht Fürstenfeldbruck (Eingang 11.1.1999) abgegeben. Die Klägerin hat mit Schreiben an das Oberlandesgericht München vom 16.2.1999 die Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt, da die Beklagten als Streitgenossen in Anspruch genommen werden sollen. Der Beklagte zu 2 hat der Bestimmung widersprochen. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über das Gesuch berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Zuerst mit der Sache befaßt war das in Bayern gelegene Amtsgericht Fürstenfeldbruck.

2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) liegen vor. Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten und sollen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2 sind die Beklagten nach dem insoweit maßgebenden Vortrag der Klägerin (vgl. BayObLGZ 1985, 314/316 und 1996, 89/90) auch Streitgenossen. Zwar haften sie für den rückständigen Unterhalt nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Für die Streitgenossenschaft genügt es jedoch, daß die Schuldner aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet sind (§ 59 ZPO 2. Alternative) oder daß gleichartige und auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (§ 60 ZPO). Diese Voraussetzungen sind weit auszulegen (BGH NJW-RR 1991, 381; BayObLGZ 1991, 343/346). Es genügt, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn damit geringerer prozessualer Aufwand verbunden ist als mit der Durchführung getrennter Prozesse, und wenn dadurch einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden (BayObLG NJW-RR 1990, 742; Muscheler/Weth ZPO §§ 59, 60 Rn. 7 m.w.N.). Hier liegt der Inanspruchnahme beider Beklagter derselbe tatsächliche Sachverhalt zugrunde (Unterhaltsbedürftigkeit ihres Vaters, Leistung von Sozialhilfe). Sie haften beide aufgrund derselben rechtlichen Vorschriften (§§ 1601, 1602 Abs. 1, § 1603 Abs. 1, § 1606 BGB). Eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung ist schon deshalb zweckmäßig, weil der Anteil an der gesamten Unterhaltsschuld, der von dem jeweiligen Beklagten zu tragen ist, im Hinblick auf § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB von den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der beiden Schuldner abhängt und sich deshalb im Verlauf des Verfahrens insoweit je nach dem festgestellten Sachverhalt bei einem der beiden Beklagten Änderungen ergeben können, die sich auf die Verpflichtung des anderen Beklagten auswirken (vgl. Göppinger/van Els Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rn. 2079).

3. Als örtlich zuständiges Gericht wird im Hinblick auf die größere Ortsnähe zum letzten Wohnsitz des unterhaltsberechtigten Vaters und zum Sitz der Klägerin das Amtsgericht Hattingen bestimmt.

 

Unterschriften

Gummer, Dr. Kahl, Sprau

 

Fundstellen

Haufe-Index 1076883

FamRZ 1999, 1666

NJWE-FER 1999, 248

MDR 1999, 807

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