Leitsatz (amtlich)

1. Ein naher Angehöriger ist zur Beschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers auch dann befugt, wenn das Betreuungsverfahren zwar auf Antrag des Betroffenen eingeleitet wurde, das VormG den Betreuer aber von Amts wegen bestellt hat. Zur Abgrenzung von Antrags- und Amtsverfahren.

2. Zum Antrag auf Betreuerbestellung.

 

Normenkette

BGB § 1896 Abs. 1; FGG § 69g Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Beschluss vom 26.03.2003; Aktenzeichen 2 T 32/03)

AG Weiden i.d. OPf. (Aktenzeichen XVII 829/02)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Weiden i.d. OPf. vom 26.3.2003 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Weiden i.d. OPf. zurückverwiesen.

 

Gründe

Die 88-jährige Betroffene wurde im Oktober 2002 nach einem Sturz in ihrer Wohnung, der einen Lendenwirbelbruch zur Folge hatte, stationär in einem Kreiskrankenhaus behandelt. Die dortige Stationsärztin übermittelte am 15.11.2002 per Fax dem zuständigen AG ein von ihr ausgefülltes zweiseitiges Formblatt des Krankenhauses, das mit „Antrag auf Bestellung eines Betreuers” überschrieben ist. Darin regte sie die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene an, und zwar für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit und Vermögenssorge. Als für das Betreuungsverfahren relevante Diagnose gab sie cerebrale Sklerose und Gebrechlichkeit an. Am Ende des Vordrucks schrieb sie in die Rubrik „Bemerkung”:

Auf ausdrücklichen Wunsch der Bet., da Zwistigkeiten zwischen Nichte und Neffe bestehen, außerdem angeblich ein großes Vermögen d. Bet., unter Zeugen bittet die Bet. um Vermögensverwaltung und Hilfe zur Unterbringung in ein Pflegeheim.

Das AG bestellte am 22.11.2002 vorläufig und am 6.2.2003 endgültig auf die Dauer von fünf Jahren für die Betroffene eine von der zuständigen Behörde fernmündlich vorgeschlagene ehrenamtliche Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über Fernmeldeverkehr und Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen. Hiergegen erhob die weitere Beteiligte, eine Nichte der Betroffenen, Beschwerde mit dem Ziel, selbst zur Betreuerin, ausgenommen im Bereich Vermögenssorge, bestellt zu werden.

Das LG hat die Beschwerde am 26.3.2003 mangels Beschwerdeberechtigung der weiteren Beteiligten „zurückgewiesen”.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der weiteren Beteiligten ergibt sich für das Verfahren der weiteren Beschwerde bereits aus der Verwerfung ihrer Erstbeschwerde durch das LG (§ 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4 FGG; vgl. BayObLGZ 1976, 281 [282]; BayObLG v. 15.4.1996 – 1Z BR 169/95, BayObLGZ 1996, 90 [91] = BayObLGReport 1996, 53 m.w.N.).

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

1. Das LG geht davon aus, dass die weitere Beteiligte ihr Rechtsmittel mit dem Ziel eingelegt habe, in den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge selbst zur Betreuerin bestellt zu werden. Es hat weiter ausgeführt, die weitere Beteiligte sei nicht beschwerdeberechtigt. Sie sei zwar Angehörige der Betroffenen i.S.v. § 69g Abs. 1 S. 1 FGG. Diese Vorschrift komme jedoch nicht zur Anwendung, weil die Betreuerin nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag der Betroffenen bestellt worden sei. Das Fax vom 15.11.2002 sei, jedenfalls für die dort erwähnten Aufgabenbereiche, als derartiger Antrag anzusehen. Die Betroffene sei sich damals auch der Tragweite ihrer in dem Fax wiedergegebenen Entscheidung bewusst gewesen. Dieser Antrag umfasse insb. die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge, welche die weitere Beteiligte auf sich übertragen wissen wolle.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Das vormundschaftsgerichtliche Verfahren zur Bestellung eines Betreuers für einen nicht lediglich körperlich Behinderten wird entweder durch einen Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen eingeleitet (§ 1896 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB; vgl. Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., Vorb. §§ 65–69 Rz. 4). Die Möglichkeit eines Antragsverfahrens neben dem Amtsverfahren wurde vom Gesetzgeber in diesen Fällen vor allem deshalb vorgesehen, um dem Betroffenen die Akzeptanz der Betreuung und die Zusammenarbeit mit dem Betreuer zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 120). Die unterschiedliche Art der Verfahrenseinleitung führt aber auch zu gewissen Unterschieden in der Verfahrensgestaltung (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 118; Schwab in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1896 Rz. 120 ff.). Zu diesen zählt, neben der Entbehrlichkeit eines Sachverständigengutachtens unter bestimmten Umständen (§ 68b Abs. 1 S. 2 FGG) und der erleichterten Aufhebung der Betreuung (§ 1908d Abs. 2 BGB), die Differenzierung in § 69g Abs. 1 S. 1 FGG. Da...

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