Leitsatz (amtlich)

1. Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Sicherungshaft von über 6 Monaten in Abschiebungssachen.

2. Zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine Entscheidung, mit der Abschiebungshaft über 6 Monate hinaus verlängert wird.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 26.08.2004; Aktenzeichen 18 T 8169/04)

AG Nürnberg (Beschluss vom 11.08.2004; Aktenzeichen 57-XIV 130/04)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 26.8.2004 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, der sich seit 13.2.2004 in Abschiebungshaft befindet. Wegen des Verfahrensgangs bis 3)0.6.2004 wird auf den Senatsbeschluss von diesem Tag - 4Z BR 051/04 - verwiesen, mit dem die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung des AG und deren Aufrechterhaltung durch das LG als unbegründet zurückgewiesen worden war.

Auf Antrag der Ausländerbehörde verlängerte das AG Nürnberg mit Beschluss vom 11.8.2004 die Abschiebungshaft bis längstens 11.11.2004. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen wies das LG Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 26.8.2004 als unbegründet zurück.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Die Haftverlängerung könne nicht auf den Umstand gestützt werden, dass er den Pass, mit dem er in Bangkok das Flugzeug bestiegen hatte, vor der Landung in München vernichtet hat, denn es könne sich "höchstens um einen gefälschten Pass gehandelt haben", der, weil unrichtige Angaben enthaltend, zur Verwirklichung der Ausreisepflicht nichts hätte beitragen können. Ein Verhalten vor der Festnahme sei im Übrigen nach gefestigter Rechtsprechung nicht geeignet, eine Haftverlängerung nach § 57 Abs. 3 S. 2 AuslG zu rechtfertigen.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 103 Abs. 2 S. 1 AuslG, § 3 S. 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das LG muss den Sachverhalt weiter aufklären (§ 12 FGG).

Zutreffend hat das LG die Voraussetzungen des Hafttatbestandes in § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG bejaht. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass eine Einreise mittels Schleuserhilfe oder mit fremden und damit falschen Personalien oder mit gefälschten Papieren eine Haftanordnung nach dieser Bestimmung rechtfertigt; wer, wie der Betroffene, seine illegale Einreise mit unredlichen Mitteln bewerkstelligt, gibt Grund für die Befürchtung, dass er sich im Falle seiner Freilassung durch Untertauchen der Abschiebung entziehen wird (Hailbronner, AuslR 33., Erg.-Lfg., § 57 Rz. 37, 42 m.w.N.).

Rechtsirrig hat das LG dagegen einen Haftgrund nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG angenommen. Die Ursächlichkeit der unerlaubten Einreise für die vollziehbare Ausreisepflicht entfällt, wenn - wie hier - zwischenzeitlich der Aufenthalt auf Grund einer Aufenthaltsgestattung rechtmäßig geworden war und erst auf Grund einer Abschiebungsandrohung eine Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht eintrat (Hailbronner, AuslR 33., Erg.-Lfg., § 57 Rz. 27). Dem Betroffenen war, da er um Asyl nachsuchte, der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Erst der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2.2.2004 begründet, wenn rechtsbeständig, eine vollziehbare Ausreisepflicht.

Das LG hat nicht verkannt, dass eine Verlängerung der Sicherungshaft über den in § 57 Abs. 3 S. 1 AuslG normierten Zeitraum von sechs Monaten hinaus nur "in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert" (§ 57 Abs. 3 S. 2 AuslG) zulässig ist.

Die Beschwerdekammer hat hierzu auf S. 4 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt:

"§ 57 Abs. 3 AuslG steht der Verlängerung der Sicherungshaft über sechs Monate hinaus nicht entgegen, da der Betroffene seine Abschiebung durch die Vernichtung seines Reisepasses sowie seine mangelnde Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit nach Überzeugung der Kammer bislang verhindert hat und weiterhin verhindert".

Das LG hat es jedoch bisher unterlassen, gem. § 12 FGG konkrete Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die geeignet sind, die angeführte Überzeugung eines noch in der Gegenwart anhaltenden Verhinderungsverhaltens zu tragen. Die in diesem Zusammenhang von der Kammer allein angeführte Tatsache (Reisepassvernichtung) kann eine Haftverlängerung nach § 57 Abs. 3 S. 2 AuslG nicht tragen. Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass ein gefälschter Pass zur Identitätsfeststellung und zur Ersatzpapierbeschaffung nichts beitragen kann und dass eine vor der Inhaftierung liegende Handlung jedenfalls in der Regel nicht zur Begründung eines Verhinderungsverhaltens i.S.v. § 57 Abs. 3 S. 2 AuslG geeignet ist (KG FGPrax 2000, 83 [84]).

Melchior ("http://www.abschiebungshaft.de/Kommentar/Haftdauer" § 57 Abs. 3 Nr. 2 2 AuslG) fasst die von ihm ...

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