Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Gerichts. Ergänzungspflegschaft: hier: Zuständigkeit für die Anordnung der Pflegschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft i. S. der §§ 1693, 1909 BGB ist seit Inkrafttreten des KindRG am 01.07.1998 das Familiengericht sachlich zuständig.
2. Für die Auswahl des Pflegers ist ab 01.07.1998 entweder nach §§ 1915 Abs. 1, 1779 BGB das Vormundschaftsgericht oder nach § 1697 BGB das Familiengericht zuständig, da das KindRG die Zuständigkeit des Familiengerichts auf die Auswahl des Pflegers neben der nach wie vor gegebenen Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts erstreckt hat.
3. Für die förmliche Bestellung des Pflegers ist gem. § 1789 BGB das Vormundschaftsgericht zuständig (im Anschluss an OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 1601).
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; BGB § 1693 (vom 16.12.1997), §§ 1697, 1779, 1789, 1909, 1915 Abs. 1
Tenor
I. Für die Anordnung der beantragten Ergänzungspflegschaft und die Auswahl des Pflegers ist das Amtsgericht – Familiengericht – Rosenheim sachlich zuständig.
II. Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Rosenheim, Zweigstelle Bad Aibling, ist zuständig für die Bestellung des Pflegers.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten am 4.11.1999 beim Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Rosenheim, Zweigstelle Bad Aibling, für ihre Tochter, geb. am 8.1.1982, die Bestellung eines namentlich bezeichneten Ergänzungspflegers für die Gründung einer Familien-Vermögensverwaltungsgesellschaft, an der sie als Gesellschafterin beteiligt werden soll.
Das Vormundschaftsgericht gab das Verfahren am 5.11.1999 mit dem Hinweis, für die Bestellung eines Ergänzungspflegers sei gemäß § 1693 BGB das Familiengericht zuständig, an das Amtsgericht – Familiengericht – Rosenheim ab, das die Übernahme des Verfahrens am 10.11.1999 ablehnte, weil § 1693 BGB nicht einschlägig sei.
Die Entscheidungen beider Gerichte wurden den Beteiligten jeweils bekanntgegeben.
Der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts legte die Akten dem Oberlandesgericht München und dieses dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen dem Vormundschafts- und Familiengericht berufen (BayObLGZ 1994, 91).
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben.
a) Ein Gesuch i. S. des § 37 Abs. 1 ZPO liegt in der Vorlage des am Zuständigkeitsstreit beteiligten Vormundschaftsgerichts. Hierzu ist im Rahmen des ihm übertragenen Geschäfts (§ 3 Nr. 2 a RPflG) auch der Rechtspfleger befugt (BayObLGZ 1994, 91/93; Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. § 37 Rn. 2).
b) Beide Gerichte haben sich „rechtskräftig” im Sinn des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Bei der hier gegebenen entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genügt die jeweils tatsächliche und als verbindlich gewollte Kompetenzleugnung und die Bekanntgabe der Entscheidungen an die Verfahrensbeteiligten (BayObLGZ 1994, 91/93 m.w.N.).
3. Für die Anordnung der beantragten Ergänzungspflegschaft ist das Amtsgericht – Familiengericht – Rosenheim sachlich zuständig. Der Senat bestimmt in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dieses Gericht auch für die Auswahl des Pflegers.
Für die Durchführung der Pflegerbestellung ist das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Rosenheim, Zweigstelle Bad Aibling, zuständig.
Die Auslegung des Antrags ergibt, daß die Beteiligten sowohl die Anordnung der Ergänzungspflegschaft (§ 1693, § 1909 BGB) als auch die Auswahl und Bestimmung einer namentlich benannten Person zum Pfleger (§ 1779, § 1915 Abs. 1 BGB) und schließlich die förmliche Bestellung dieser Person nach § 1789 BGB begehren.
a) Da ein Fall des § 1693 BGB auch bei rechtlicher Verhinderung i.S. von § 1629 Abs. 2, § 1795 BGB vorliegt (Palandt/ Diederichsen BGB 58. Aufl. § 1693 Rn. 1), ist für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft gemäß der seit 1.7.1998 geltenden Neufassung des § 1693 BGB statt des bislang zuständigen Vormundschaftsgerichts das Familiengericht sachlich zuständig (OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1601; PfälzOLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 489).
§ 1915 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen, da § 1693 BGB eine anderweitige Regelung enthält. Für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist daher das Amtsgericht – Familiengericht – Rosenheim zuständig.
b) Für die Auswahl des Pflegers ist ab 1.7.1998 entweder nach § 1915 Abs. 1, § 1779 BGB das Vormundschaftsgericht oder nach § 1697 BGB das Familiengericht zuständig, da das KindRG die Zuständigkeit des Familiengerichts auf die Auswahl des Pflegers neben der nach wie vor gegebenen Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts erstreckt hat (vgl. hierzu OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1601; FamRefK/Rogner § 1697 BGB Rn. 1).
Für die Auswahl des Pflegers bestimmt der Senat aus Gründen der Zw...