Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfordert schlüssigen Tatsachenvortrag des Antragstellers dazu, dass die Antragsgegner in dem beabsichtigten Rechtsstreit insgesamt als Streitgenossen in Anspruch genommen werden.
2. Liegt diese Voraussetzung lediglich für einen Teil der (beabsichtigten) Streitgegenstände vor, so kann eine Zuständigkeitsbestimmung nur für diesen Teil in Betracht kommen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die in Betracht kommenden Streitgegenstände aus dem Antrag - gegebenenfalls unter Heranziehung des dazu vorgelegten Klageentwurfs - unzweideutig ergeben.
3. Fehlt es daran, so ist es nicht Aufgabe des angerufenen Gerichts, die für eine Zuständigkeitsbestimmung erforderliche Antragsabgrenzung selbst zu formulieren.
Normenkette
VertrV § 2 Abs. 3 Nr. 1, § 15 Abs. 2; ZPO §§ 18, 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60
Tenor
Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt ein Hotel in B. im Bezirk des Landgerichts Schweinfurt und ein weiteres in W. Sie beabsichtigt, gegen den Antragsgegner zu 1), den Freistaat B., und die Antragsgegnerin zu 2), die Stadt W., Feststellungsklage mit dem Antrag zu erheben, festzustellen, dass ihr die Beklagten die Ertragsverluste zu ersetzen hätten, die sie aufgrund der Maßnahmen des bzw. der jeweiligen Beklagten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlitten habe.
Sie trägt in dem ihrem Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts beigefügten Klageentwurf vor, dass sie als Betreiberin beider Hotels von einer Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin zu 2) und mehreren Allgemeinverfügungen und Verordnungen des Antragsgegners zu 1) im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unmittelbar betroffen sei, und vertritt darin sowie in der Antragsschrift selbst die Auffassung, die Antragsgegner seien Streitgenossen i. S. d. § 60 ZPO. Sämtliche Corona-Maßnahmen seien in Zusammenhang miteinander ergangen; sie seien auf Bundesebene zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer verabredet und dann in der ersten Phase ohne erhebliche Änderungen von beiden Antragsgegnern umgesetzt worden; später seien alle Maßnahmen in den einheitlichen Verordnungen des Antragsgegners zu 1) aufgegangen. Die Anspruchsgrundlagen, auf die sie sich gegenüber jedem der Antragsgegner berufe, seien dieselben; der Prozessstoff sei auch identisch.
Sie beantragt,
das Landgericht München I als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Der Antragsgegner zu 1) teilt mit, dass das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Ausgangsbehörde i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern (Vertretungsverordnung - VertrV) sei, weil sich die angekündigte Klage insbesondere gegen die durch dieses Ministerium getroffenen Maßnahmen richte; gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 VertrV sei zunächst das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat Vertretungsbehörde gewesen; diese Vertretungszuständigkeit sei allerdings gemäß § 15 Abs. 2 VertrV auf das Landesamt für Finanzen übertragen worden, dessen Dienststelle München nach dem Regionalprinzip gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VertrV Vertretungsbehörde für die gegen ihn gerichtete Klage sei. Damit liege sein allgemeiner Gerichtsstand gemäß § 18 ZPO in München.
Die Antragsgegnerin zu 2) erklärt, dass sie der Zuständigkeit des Landgerichts München I zustimme.
Mit Verfügung vom 16. November 2020 ist die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, dass der beabsichtigte Klageantrag die Ertragsverluste, auf deren Ersatz die festzustellende Pflicht gerichtet sei, nicht auf solche beschränke, die an einer bestimmten Betriebsstätte eingetreten seien; es dürfte damit dem Klageentwurf an der schlüssigen Darstellung fehlen, inwieweit die Maßnahme der Antragsgegnerin zu 2) zu Ertragsverlusten des in B. belegenen Hotels geführt haben könne. Auf eine erste Stellungnahme der Antragstellerin, die lediglich Ausführungen dazu enthalten hatte, dass die Maßnahmen beider Antragsgegner kumulativ gewirkt hätten, hat der Senat einen weiteren Hinweis erteilt, dass nicht schlüssig dargetan scheine, inwieweit die beiden Antragsgegner Streitgenossen hinsichtlich der Ertragsverluste des Hotels in B. sein könnten, da nicht ersichtlich sei, wie sich eine Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin zu 2) - der Stadt Würzburg - dort auswirken könne. Daraufhin hat die Antragstellerin erklärt, sie würde "gerne den Versuch unternehmen, die Prozessrechtsverhältnisse im Rahmen der beabsichtigten Klage grafisch darzustellen", und eine solche Darstellung vorgelegt. Ihr Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung sei unter Berücksichtigung dieser grafischen Darstellung und den Ausführungen in ihrem Antrag sowie ihrer ersten Stellungnahme begründet. Der Senat habe nur über eine Zuständigkeitsbestimmung zwischen dem Antragsgegner zu 1) und der Antragsgegnerin zu 2) im Hi...