Leitsatz (amtlich)

Zur Wechselbezüglichkeit von Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments mit Schlusserben- und mehrfach gestufter Ersatzschlusserbeneinsetzung.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2270

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 14.09.2004; Aktenzeichen 16 T 16545/04)

AG München (Aktenzeichen 63-VI 14154/03)

 

Tenor

I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des LG München I vom 14.9.2004 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben die den Beteiligten zu 3) bis 5) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 210.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die verwitwete, kinderlose Erblasserin ist im Alter von 100 Jahren verstorben. Sie hatte keine Geschwister. Ihr Ehemann, mit dem sie seit 1937 verheiratet war, ist 1945 im Alter von 47 Jahren vorverstorben. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Töchter von dessen 1976 verstorbenem Bruder; sie sind 1947 bzw. 1945 geboren. Die Beteiligten zu 3) bis 5) sind Verwandte der Erblasserin.

Die Ehegatten haben am 26.8.1943 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, das im Wesentlichen wie folgt lautet:

Gemeinsames Testament

Wir errichten hiermit unser gemeinsames Testament und bestimmen folgendes:

1. Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein. Etwa aus unserer Ehe noch hervorgehende Kinder sollen das erben, was von unserem Nachlass beim Tode des Überlebenden noch vorhanden ist.

2. Für den Fall, dass aus der Ehe keine Kinder hervorgehen, soll beim Tode des Überlebenden der Nachlass folgendermaßen verteilt werden:

Das Haus u. Grundstück, mit allem Inventar soll, da es die Frau mit in die Ehe gebracht hat, an deren Mutter, A fallen.

Das Barvermögen geht zu gleichen Teilen an B. (Mutter des Ehemannes) und A. (Mutter der Ehefrau). Ebenso gehen die bei dem Bankhaus hinterlegten Wertpapiere zu gleichen Teilen an A. und B.

Sollte beim Tode des Überlebenden sowohl A. als auch B. bereits verstorben sein, so ist der Bruder des Ehemannes Erbe. Sollte er beim Tode des Überlebenden verstorben sein und keinen leiblichen Erben haben, so ist C. (Verwandter der Ehefrau) Alleinerbe.

München, den 26.8.1943

... (Ehemann)

Vorstehendes Testament soll auch meines sein.

München, den 26.8.1943,

... (Ehefrau)

Am 23.9.1992 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie die Beteiligten zu 3) bis 5) zu gleichen Teilen als Erbinnen einsetzte und den Beteiligten zu 3) und 4) ihre Eigentumswohnung als Vorausvermächtnis zuwandte. Ferner erklärte sie, an einer Verfügung von Todes wegen weder durch Erbvertrag, noch in anderer Weise gehindert zu sein, und hob "rein vorsorglich alle etwaigen, diesem Testament entgegenstehenden früheren Verfügungen von Todes wegen hiermit auf, soweit gesetzlich zulässig".

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben jeweils beantragt, ihnen einen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterbinnen zu je ½ ausweist. Sie sind der Auffassung, die sie begünstigende Verfügung in dem Testament vom 26.8.1943 sei wechselbezüglich und habe daher von der Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes nicht mehr geändert werden können. Die Beteiligten zu 3) bis 5) sind demgegenüber der Auffassung, die Ersatzschlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) in dem Testament vom 26.8.1943 sei nicht wechselbezüglich, so dass sie Miterbinnen auf Grund des Testaments vom 23.9.1992 seien.

Das Nachlassgericht hat mit Beschl. v. 11.5.2004 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) hat das LG München I mit Beschl. v. 14.9.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2.

II. Die weiteren Beschwerden sind zulässig, aber i.E. nicht begründet.

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt:

Für die Erbfolge sei das Testament vom 23.9.1992 maßgeblich; die Ersatzschlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) im Testament vom 26.8.1943 stelle keine wechselbezügliche Verfügung dar, weder im Hinblick auf die Erbeinsetzung der Erblasserin noch ihres Verwandten C durch den Ehemann. Das Testament vom 26.8.1943 sei insoweit auslegungsbedürftig. Dabei sei der Umstand von Bedeutung, dass der Ehemann der Erblasserin ein weit geringeres Vermögen als diese gehabt habe; alle wesentlichen Vermögensgegenstände seien deren Eigentum gewesen. Bezüglich Haus und Grundstück sei dies unstreitig; bezüglich der Wertpapiere ergebe sich aus dem Nachlassverzeichnis vom 31.5.1946, dass die Ehefrau diese als Heiratsgut mit in die Ehe gebracht habe. Bereits diese Vermögenssituation lege die Annahme nahe, dass die Verfügungen, mit denen Verwandte des Ehemannes der Erblasserin zu Ersatzschlusserben bestimmt worden seien, nicht wechselbezüglich seien. Gegen die Wechselbezüglichkeit spreche auch, dass die Eheleute das Hausgrundstück vorrangig der Mutter der Erblasserin zukommen lassen wollten. Schließlich sei entscheidend auch die konkrete Situation zu berücksichtigen, in der das Testament errich...

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