Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Testaments
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Ausschluß der Testamentsanfechtung gemäß § 2079 Satz 2 BGB.
2. Zum Verzicht des Anfechtungsrechts im gemeinschaftlichen Testament.
Normenkette
BGB §§ 2079, 2269 Abs. 1, §§ 2270, 2281
Verfahrensgang
LG München II (Zwischenurteil vom 16.11.1999; Aktenzeichen 2 T 4049/99) |
AG Starnberg (Zwischenurteil vom 14.06.1999; Aktenzeichen VI 740/84) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 16. November 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die am 22.11.1984 im Alter von 71 Jahren verstorbene Erblasserin war zweimal verheiratet. Ihr erster Ehemann fiel 1944 im Krieg. Aus der Ehe sind die 1938 geborene Beteiligte zu 2 und der 1940 geborene Beteiligte zu 3 hervorgegangen. Am 7.12.1946 heiratete die Erblasserin den 1911 geborenen Beteiligten zu 1, der die Kinder der Erblasserin in den gemeinsamen Haushalt aufnahm. Diese wuchsen bis zum 20. bzw. 19. Lebensjahr bei ihnen auf. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand und erwarben 1967 ein Haus, dessen Eigentum ihnen je zur Hälfte zustand.
Am 6.12.1982 errichteten die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 ein gemeinschaftliches Testament, das der Beteiligte zu 1, ein Jurist, handschriftlich verfaßte und das beide Eheleute unterschrieben. Es hat u. a. folgenden Inhalt:
Gemeinschaftliches Testament nach § 2269 BGB
Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll unser beiderseitiger Nachlaß den Kindern von … (= Ehefrau) zu gleichen Teilen zufallen. Diese sollen aber schon beim Tod des ersten von uns folgendes erben:
Stirbt … (= Ehemann) zuerst, dann aus seinem Wertpapiervermögen Stücke im Gesamtwert von 60.000 DM (sechzigtausend),
stirbt … (= Ehefrau) zuerst, dann ihr Barvermögen, dazu aus ihrem Wertpapiervermögen soviele Stücke, daß sich zusammen mit dem Barvermögen ebenfalls 60.000 DM (sechzigtausend) ergeben.
Beim Tod von … (= Ehemann) erhalten als Vermächtnis
…
- Die Einsetzung von … als Erben des Überlebenden (s.o. Zf 1) schließt nicht aus, daß dieser verwitwet ein Vermächtnis oder eine sonstige Zuwendung in angemessener Höhe für diejenige Person vorsieht, die ihn als Alleingebliebenen versorgt hat.
Nach dem Tod der Erblasserin erteilte das Nachlaßgericht dem Beteiligten zu 1 am 24.12.1984 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.
Am 28.9.1998 heiratete der Beteiligte zu 1 wieder. Im Hinblick auf die neue Ehe erklärte er am 2.11.1998 zu notarieller Urkunde die Anfechtung seiner in dem gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 getroffenen Verfügungen; die Erklärung ging beim Nachlaßgericht am 10.11.1998 ein. Ebenfalls am 2.11.1998 errichtete der Beteiligte zu 1 ein notarielles Testament, in welchem er seine jetzige Ehefrau zur Alleinerbin einsetzte.
Das Nachlaßgericht überprüfte, ob der Erbschein vom 24.12.1984 im Hinblick auf die Anfechtung unrichtig geworden ist. Nach Anhörung der Beteiligten lehnte das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 14.6.1999 die Einziehung des Erbscheins vom 24.12.1984 ab.
Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein, die das Landgericht nach erneuter schriftlicher Befragung der Beteiligten mit Beschluß vom 16.11.1999 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Erbschein vom 24.12.1984 sei richtig, weil die Anfechtung die im gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 verfügte Alleinerbeneinsetzung des Beteiligten zu 1 nicht beseitigt habe. Zwar könne grundsätzlich das Testament angefochten werden, wenn nach seiner Errichtung – wie hier nach Wiederverheiratung die Ehefrau – ein weiterer Pflichtteilsberechtigter hinzutrete. Die Anfechtung sei aber im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil die Auslegung des Testaments vom 6.12.1982 ergebe, daß der Beteiligte zu 1 auch bei Kenntnis einer späteren Wiederverheiratung seine Stiefkinder, die Beteiligten zu 2 und 3, jedenfalls zum Teil als Miterben eingesetzt hätte. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei auch auf den Willen der gemeinschaftlich testierenden Ehegattin Rücksicht zu nehmen, weil die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlußerbeneinsetzung wechselbezüglich seien und deshalb der Wille des einen Testierenden durch die Interessen und den Willen sowie die Vorstellung des anderen Teils im Hinblick auf die Verknüpfung der beiderseitigen Verfügungen mitbestimmt worden sei. Der Wegfall der Schlußerbeneinsetzung ihrer Kinder durch das neue Testament hätte den Interessen der Erblasserin widersprochen; mit ihrem Einverständnis hätte der Beteiligte zu 1 nicht rechnen können. Über diesen Willen hätte sich der Beteiligte zu 1 angesichts der Dauer der Ehe, des Alters der Ehegatten und des engen Verhältnisses zu ...