Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob nach Aufhebung einer Betreuung während des Beschwerdeverfahrens die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuerbestellung beantragt werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 25.08.2003; Aktenzeichen 5 T 4206/02)

AG Dillingen a.d. Donau (Aktenzeichen XVII 97/01)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 25.8.2003 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das AG bestellte am 26.7.2001 für den Betroffenen, einen Kommunalbeamten, einen Berufsbetreuer für den Aufgabenkreis Vertretung bei der Führung eines Restaurant- und Hotelbetriebes und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt an. Der Betroffene legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, welche er am 7.8.2001 wieder zurücknahm; gleichzeitig beantragte er, die Betreuung zu beenden. Am 24.8.2001 legte er erneut Beschwerde ein. Das AG hob mit Beschluss vom 14.9.2001 die Betreuung auf und stellte das Betreuungsverfahren ein. Zur Begründung führte es aus, eine Führung der Betreuung gegen den Willen des Betroffenen und ohne dessen Mitwirkungsbereitschaft sei nicht möglich. Das Gericht sehe keine Möglichkeit, dem Betroffenen in seiner konkreten Situation und unter den gegebenen Voraussetzungen durch Aufrechterhaltung der Betreuung zu helfen. Mit dieser Entscheidung sei auch die Beschwerde des Betroffenen erledigt.

In der Folgezeit wurde gegen den Betroffenen ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand eingeleitet. Am 10.9.2002 beantragte der Betroffene, die für ihn im Zeitraum 1.8.- 14.9.2001 angeordnete Betreuung rückwirkend ab 1.8.2001 aufzuheben. Das AG lehnte am 9.10.2002 die rückwirkende Aufhebung der Betreuung ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das LG zurück; eine weitere Beschwerde zum BayObLG blieb gleichfalls erfolglos.

Am 18.7.2003 legte der Betroffene zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG in Fortführung der ursprünglichen Beschwerde vom 24.8.2001 eine weitere Beschwerde ein und stellte den Antrag, die Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Betreuungsbeschlusses des AG vom 26.7.2001 festzustellen. Das LG hat diese Erklärung als Antrag auf Fortführung des ursprünglichen Beschwerdeverfahrens mit dem Ziel einer Rechtswidrigkeitsfeststellung gewertet und diese Beschwerde als unzulässig verworfen.

Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Betroffene sein Ziel weiter, eine Rechtswidrigkeitsfeststellung der Betreuung zu erreichen.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache i.E. keinen Erfolg. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuerbestellung ist nicht begründet.

1. Das BVerfG hat entschieden, Art. 19 Abs. 4 GG gebiete den Rechtsmittelgerichten, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen. Deshalb sei das Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe auch dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt zwar erledigt hat, eine Sachentscheidung nach dem typischen Verfahrensablauf aber in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu erlangen war (vgl. BVerfG v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432 ff.). In einem Fall der Abschiebungshaft ist das BVerfG von dem Zeiterfordernis abgerückt und hat die Gewährung von Rechtsschutz weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens noch vom Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängig gemacht, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden könne. Es hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Recht auf Freiheit der Person unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonders hoher Rang zukomme und die richterliche Anordnung im Fall der Abschiebungshaft wegen des impliziten Vorwurfs, der Betroffene habe sich gesetzwidrig verhalten, auch diskriminierende Wirkung habe (vgl. BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456). Andererseits hat das BVerfG Ausnahmen von diesen Grundsätzen anerkannt. So darf beispielsweise der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgelehnt werden, wenn er erst lange nach der Beendigung des Grundrechtseingriffs gestellt wird (vgl. BVerfG v. 18.12.2002 – 2 BvR 1660/02, NJW 2003, 1514 für den Fall einer Durchsuchungsanordnung), oder sich der Betroffene inzwischen freiwillig dem angeordneten Eingriff unterworfen hat (BVerfG v. 14.6.1998 – 2 BvR 2227/96, NJW 1998, 2813).

Unter Beachtung dieser Rspr. hat der Senat für die Fälle der Unterbringung die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit zugelassen (vgl. BayObLGZ 2002, 234 ff.; BayObLG BtPrax 2003, 184).

2. Zu den schwerwiegenden Grundrechtseingriffen zählt das BVerfG insb. solche Eingriffe, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt stellt (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456). In einem Einzelfall, in dem es um die Genehmigung einer Bluttransfusion gegen den Willen der Betroffenen, also einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) ging, hat eine Kammer des BVerfG hierzu auch die gerichtliche Be...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?