Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Aufhebung. Zurückverweisung. Berufung. Berufungsbeschränkung. Schuldumfang. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Freiheitsstrafe. Strafaussetzung. Berwährung. Sachrüge. Unterhaltspflicht. Unterhaltspflichtverletzung. Feststellungen. Leistungsfähigkeit. Bedarfshöhe. unklar. lückenhaft. widersprüchlich. knapp. Nachvollziehbarkeit. Zahlenangabe. doppelrelevant. Strafzumessungsgrund. Feststellungsdefizit. Bedürftigkeit. Bedarf. Bedarfstabelle. Unterhaltsberechnung. Kind. Werbungskosten. Betriebsausgaben. Steuern. Vorsorgeaufwendungen. Verbindlichkeiten. Kindesmutter. Elternteil. Betreuung. Berechnungsgrundlagen. Strafrahmen. Regelfallbeispiel. Gewerbsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ( § 318 Satz 1 StPO ) ist es u.a. erforderlich, dass das Ersturteil ausreichende Feststellungen zum Schuldumfang trifft. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn bei dem Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 Abs. 1 StGB lediglich ausgeführt wird, der Angeklagte sei zur "zumindest teilweisen Unterhaltszahlung in der Lage gewesen" .
2. Auch im Falle der wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch hat das Berufungsgericht eigene Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Alt. StGB zu treffen (Anschluss u.a. an BGH, Beschl. v. 20.06.2017 - 1 StR 458/16 = BGHSt 62, 202 = NJW 2017, 2847 = wistra 2018, 133 = StV 2018, 265 und OLG Bamberg, Beschl. v. 06.03.2018 - 3 OLG 130 Ss 19/18 = StraFo 2018, 159 = wistra 2018, 319 ).
Normenkette
StGB § 170 Abs. 1, § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1; BGB § 1603 Abs. 1-2, § 1606 Abs. 3 S. 2, § 1610 Abs. 1; StPO §§ 318, 327, 333, 341 Abs. 1, §§ 344-345, 349 Abs. 4
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 23. November 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 22.09.2020 wegen Betrugs in zwei Fällen und Verletzung der Unterhaltspflicht in vier tateinheitlichen Fällen zu einer aus drei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zehn Monaten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die bereits mit Einlegung auf den Rechtsfolgenausspruch und in der Berufungshauptverhandlung vom 23.11.2020 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft weiter auf die Frage der Aussetzung der Vollstreckung der erstinstanzlich erkannten Gesamtfreiheitsstrafe beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 23.11.2020 ebenso wie die auf das Strafmaß beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft jeweils als unbegründet verworfen, wobei es von der Wirksamkeit der erklärten Berufungsbeschränkungen ausgegangen ist. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die statthafte ( § 333 StPO ) und auch im Übrigen zulässige ( § 341 Abs. 1 , §§ 344 , 345 StPO ) Revision des Angeklagten ist begründet und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils (§ 349 Abs. 4 StPO) und Zurückverweisung der Sache.
1. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht in vier tateinheitlichen Fällen ist das Landgericht zu Unrecht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 318 StPO ausgegangen und hat deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen. Dies hat das Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge von Amts wegen zu prüfen, weil im Falle der Unwirksamkeit der Beschränkung die Berufungskammer als Tatsacheninstanz eigene Feststellungen zum Schuldspruch hätte treffen müssen.
a) Zwar ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich zulässig. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.04.2017 - 4 StR 547/16 = BGHSt 62, 155 = NJW 2017, 2482 = NZV 2017, 433 = StraFo 2017, 280; Urt. v. 02.12.2015 - 2 StR 258/15 = StV 2017, 314 ; BayObLG, Beschl. v. 26.02.2020 - 202 StRR 4/20 = OLGSt StPO § 318 Nr 32 ; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. § 318 Rn. 16 ff.; KK/Paul StPO 8. Aufl. § 318 Rn. 7 ff., jeweils m.w.N.) oder unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (vgl. etwa BGH, Urt. v. 06.08.2014 - 2 StR 60/14 = NStZ 2014, 635 und Urt. v. 19.03.2013 - 1 StR 318/12 = wistra 2013, 463).
b) Derartige zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsf...