Leitsatz (amtlich)
1. Das VormG kann bei Vorliegen eines erheblichen Interessenkonflikts zwischen Betreuer und Betroffenem dem Betreuer die Vertretungsmacht konkludent durch die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers für den betreffenden Aufgabenkreis entziehen.
2. Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers für die Prüfung und Geltendmachung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen des Betroffenen gegen Vater und Schwester, die zu seinen Betreuern bestellt sind, ist auch dann erforderlich, wenn ein Sozialhilfeträger diese Ansprüche nach § 90 BSHG auf sich übergeleitet hat.
Normenkette
BGB §§ 181, 1795-1796, 1899 Abs. 4, § 2303 Abs. 1, § 2325 Abs. 1, § 2329 Abs. 1, § 2332 Abs. 1 u. 2; BSHG § 90
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 15.07.2003; Aktenzeichen 5 T 2258/03) |
AG Augsburg (Aktenzeichen XVII 1478/02) |
Tenor
Die weiteren Beschwerden gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 15.7.2003 werden zurückgewiesen.
Gründe
I. Für die Betroffene sind seit 15.1.2003 ihre Schwester und ihr Vater als Betreuer für einen umfangreichen Aufgabenkreis bestellt; jeder von ihnen ist berechtigt, jeweils alleine die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen. Die Mutter der Betroffenen ist am 29.2.1996 verstorben. Nach einem von dieser und dem Vater verfassten gemeinschaftlichen Testament haben die Ehegatten beim Tod des Erstversterbenden sich wechselseitig zu Alleinerben und nach dem Tod des Überlebenden ihre erste Tochter, die Betreuerin, als Erbin zu 1/2 und ihre zweite Tochter, die Betroffene, als beschränkte Vorerbin zu 1/2 eingesetzt. Für den Fall, dass eine der Töchter nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil forderte, sollte sie nach dem Tod des Letztversterbenden gleichfalls nur den Pflichtteil erhalten. Der Reinnachlass nach dem Tod der Mutter betrug ca. 11.000 DM. Ein im Miteigentum der Mutter und des Vaters stehendes Anwesen war bereits im Jahr 1989 auf die erste Tochter, die Betreuerin, übertragen worden.
Der Bezirk Schwaben trägt die anfallenden Kosten für die Unterbringung der Betroffenen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Mit Schreiben vom 20.3.2003 regte der Bezirk die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers mit der Begründung an, der Betroffenen stünden Nachlassansprüche aus dem Erbe ihrer 1996 verstorbenen Mutter zu, über deren Bestehen, Art und Höhe Uneinigkeit mit der Betreuerin bestünde. Wegen der möglichen Interessenkollision sei die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers angezeigt. Das AG bestellte am 7.4.2003 eine Rechtsanwältin zur Ergänzungsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis Regelung von Nachlassangelegenheiten.
Gegen diesen Beschluss legte die Betreuerin sowohl im eigenen Namen als auch als Schwester der Betroffenen als auch für die Betroffene Beschwerde ein. Das LG hat am 15.7.2003 die Beschwerde zurückgewiesen.
Mit ihren weiteren Beschwerden, die wiederum im eigenen Namen, als Schwester der Betroffenen und für die Betroffene eingelegt worden sind, verfolgt die Betreuerin ihr Ziel weiter, die Aufhebung der Ergänzungsbetreuung zu erreichen.
II. Die Rechtsmittel sind zulässig. Die Betreuerin ist als Betreuerin (§ 20 Abs. 1 FGG) und als Schwester der Betroffenen (§ 69g Abs. 1 S. 1 FGG) beschwerdeberechtigt, sie kann auch als deren Vertreterin (§ 69g Abs. 2 S. 1 FGG) für diese weitere Beschwerde einlegen. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Da die Betroffene von der Erbfolge nach dem Tod ihrer Mutter ausgeschlossen worden sei, stünden ihr grundsätzlich ein Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 Abs. 1 BGB und im Hinblick auf die zu Lebzeiten erfolgte Übertragung des Miteigentumsanteils möglicherweise Ansprüche gegen den Vater nach § 2325 BGB und gegen ihre Schwester, die Betreuerin, gem. § 2329 BGB zu. Eine Verjährung dieser Ansprüche nach § 2332 BGB sei wegen der Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen fraglich. Jedenfalls könnten Ansprüche der Betroffenen gegen die beiden Betreuer nicht ausgeschlossen werden. Die Betreuer könnten die Betroffene bei der Durchsetzung etwaiger Ansprüche wegen § 1908i BGB i.V.m. § 1795 Abs. 2 BGB nicht vertreten. Es sei nicht zutreffend, dass die Durchsetzung etwaiger Zahlungsansprüche gegen die Betreuer ausschließlich dem Bezirk zu Gute kämen. Der Betroffenen stehe nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. der Verordnung zur Durchführung dieser Vorschrift ein ihr zu belassender Freibetrag von 2.301 Euro oder sogar 23.010 Euro zu, der momentan nicht ausgeschöpft sei.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Das VormG darf abw. vom Grundsatz der Einzelbetreuung einen weiteren Betreuer bestellen, wenn der eigentliche Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (§ 1899 Abs. 4 BGB). Rechtlich verhindert ist der Betreuer u.a. dann, wenn er nach § 1908i Abs. 1 S. 1, § 1795, § 181 BGB von der Vertretung des Betroffenen kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, oder wenn ihm das VormG die Vertretungsmacht wegen...