Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens” der Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament verfügten Erbeinsetzung und zur Frage, ob in diesen Worten eine Andeutung dafür gefunden werden kann, dass die Erbeinsetzung auch für den Fall des Nacheinanderversterbens gemeint sein sollte.
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 30.09.2002; Aktenzeichen 4 T 797/02) |
AG Neu-Ulm (Aktenzeichen VI 369/01) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 gegen den Beschluss des LG Memmingen vom 30.9.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben den Beteiligten zu 1) und 2) die diesen im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 78.000 Euro festgesetzt.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird – in Abänderung von Nr. II des Beschlusses des LG Memmingen vom 30.9.2002 – auf 78.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die am 12.12.2001 im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet; sie hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die 1935 bzw. 1948 geborenen Kinder ihres 1997 verstorbenen Ehemannes aus dessen erster Ehe. Der Nachlass besteht aus Bankguthaben im Wert von ca. 94.000 Euro.
Die Eheleute haben am 18.11.1993 ein gemeinschaftliches
Testament in der Weise errichtet, dass die Erblasserin den von ihrem Ehemann geschriebenen und unterschriebenen Text mitunterzeichnete. Dieser lautet:
„Unser Testament
1. Wir die Eheleute … setzen uns gegenseitig als Erben ein.
2. Sollten wir beide gleichzeitig sterben, erben Sohn … (Beteiligter zu 3) und Tochter … (Beteiligte zu 4) vorhandenes Bargeld und das auf Konten befindliche Geld – nach Abzug der Beerdigungskosten und sonstiger Kosten – zu gleichen Teilen.”
Nach dem Tod des Ehemannes hat die Erblasserin die Erbschaft angenommen; auf ihren Antrag wurde ihr ein Erbschein erteilt, wonach sie ihren Ehemann allein beerbt habe.
In der Folgezeit hat die Erblasserin zwei notarielle Testamente – vom 18.11.1998 und vom 26.8.1999 – errichtet. Mit letzterem hob die Erblasserin das Testament vom 18.11.1998 auf und setzte die Beteiligten zu 1) und 2) zu ihren Erben zu je 1/2 ein.
Die Beteiligten zu 3 und 4 legen Nr. 2 des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.11.1993 dahingehend aus, dass sie Erben des Letztversterbenden werden sollten. Sie meinen, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes und nach Annahme der Erbschaft an diese – wechselbezügliche – Verfügung gebunden gewesen sei und dass deswegen das Testament vom 26.8.1999 unwirksam sei. Sie haben dementsprechend einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass sie zu je 1/2 Erben geworden seien.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben sich gegen diese Auslegung gewandt. Nach ihrer Meinung sind in dem gemeinschaftlichen Testament die Beteiligten zu 3) und 4) nur bei gleichzeitigem Tod der Eheleute als Erben eingesetzt; von diesem Fall abgesehen bestehe nach dem gemeinschaftlichen Testament keine Bindung des Letztversterbenden. Sie haben einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass sie die Erblasserin zu je 1/2 beerbt haben.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 16.4.2002 die Erteilung eines Erbscheins gem. dem Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) angekündigt, weil in Nr. 2 des gemeinschaftlichen Testaments eindeutig nur der Fall des gemeinsamen Versterbens der Eheleute geregelt sei.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) hat das LG mit Beschluss vom 30.9.2002 zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 3) und 4) haben weitere Beschwerde eingelegt.
II. Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) ist nicht begründet. Im Ergebnis hält die Entscheidung des LG der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des Anspruchs der Beteiligten zu 3) und 4) auf rechtliches Gehör hat keinen Erfolg.
a) Dem Beteiligten zu 3) war rechtliches Gehör zu dem in der Sachverhaltsdarstellung des landgerichtlichen Beschlusses wiedergegebenen (Erwiderungs-)Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 2) bezüglich des Vermögens der Erblasserin bei seiner Anhörung durch das AG Schöneberg am 27.3.2002 gewährt worden. Das Nachlassgericht hatte das AG Schöneberg ausdrücklich „um Bekanntgabe der eröffneten Verfügungen” und „Anhörung zum Erbscheinsantrag Bl. 41 bis 43” ersucht. Letzterer wurde im Rahmen einer Niederschrift des Rechtspflegers des Nachlassgerichts vom 18.2.2002 gestellt. Bei dieser Gelegenheit äußerten sich die Beteiligten zu 1) und 2) auch zum Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) und 4) vom 20.12.2001 und wiesen – weil die Beteiligten zu 3) und 4) behauptet hatten, „dass sämtliches nennenswertes Vermögen der Eheleute … aus dem Vermögen des … (Ehemannes) stammte” – darauf hin, dass auch die Erblasserin „nennenswertes Vermögen i.H.v. ca. 50.000 DM in die Ehe miteingebracht” habe, dass es aber nach ihrer Meinung hierauf für die Testamentsauslegung nicht ankomme. Hierzu hat sich der Beteiligte zu 3) bei sei...