Leitsatz (amtlich)

1. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Gemeinschaftsordnung ohne Bindung an die Auslegung des LG selbständig auslegen. Bei der Auslegung ist auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung ergibt.

2. Durch Vereinbarung kann die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht für das gemeinschaftliche Eigentum ganz oder teilweise einem Wohnungseigentümer übertragen werden. Dies gilt insb. für Bauteile, an denen ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 10.09.2003; Aktenzeichen 1 T 17517/02)

AG München (Beschluss vom 10.09.2002; Aktenzeichen 481 UR II 672/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragsteller und der Antragsgegner werden die Beschlüsse des LG München I vom 10.9.2003 und des AG München vom 10.9.2002 aufgehoben.

II. Die Anträge der Antragsteller werden mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Antragsgegner die Kosten der Sanierung der tragenden Betonteile des Teileigentums der Antragsteller zu tragen haben, soweit dies zur Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustands erforderlich ist. Soweit der Eigentümerbeschluss vom 3.7.2000 zu Tagesordnungspunkt 9 eine Kostentragungspflicht der Antragsgegner in diesem Umfang verneint, wird er für ungültig erklärt. Die weiter gehende sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

III. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge auf 20.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Den beiden Antragstellern gehört das Teileigentum Nr. 154, bei dem es sich um ein Café handelt. In der Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, dass der jeweilige Eigentümer des Teileigentums Nr. 154 zur alleinigen Nutzung des gesamten Gaststättengebäudes sowie der daran angrenzenden Fläche der Fußgängerebene unter Ausschluss aller anderen Wohnungseigentümer berechtigt ist (Allg. Bestimmungen, Nr. 5 Buchst. c). Was die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung sowie des Betriebs von Gebäudeteilen und Flächen angeht, sind Sondernutzungsrechte wie Sondereigentum zu behandeln (Allg. Bestimmungen, Nr. 5 Buchst. d). Jeder Wohnungseigentümer hat die in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile auf eigene Rechnung instandzuhalten und instandzusetzen. Die Instandhaltung und Instandsetzung u.a. der Außenfenster obliegt, auch wenn sie sich im Bereich des Sondereigentums befinden, der Gesamtheit der Wohnungseigentümer (§ 3 Abs. 1 Buchst. a). Die Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäudeteilen und Grundstücksflächen, die dem Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers unterliegen, ist jedoch ausschließlich Sache des jeweiligen Sondernutzungsberechtigten (§ 3 Abs. 1 Buchst. e). Die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt mit Ausnahme der zur Sondernutzung zugewiesenen Teile der Gesamtheit der Wohnungseigentümer (§ 3 Abs. 2 Buchs. a).

Die Antragsteller ließen im Jahr 1999 zur Behebung „wärmetechnischer Mängel” die Einscheibenverglasung ihres Teileigentums durch eine Isolierverglasung ersetzen und wendeten hierfür 18.855 DM auf.

Durch Beschluss vom 3.7.2000 (Tagesordnungspunkt 9) lehnten die Wohnungseigentümer den Antrag der Antragsteller ab, die Kosten der Instandhaltung der Fensteranlage und einer Sanierung der Betonteile des Teileigentums zu übernehmen.

Die Antragsteller haben beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 3.7.2000 zu Tagesordnungspunkt 9 für ungültig zu erklären, die Antragsgegner zu verpflichten, an sie 18.855 DM nebst Zinsen zu zahlen, ferner festzustellen, dass die Wohnungseigentümer die Kosten der Instandsetzung der Fensteranlage des Teileigentums und einer Sanierung der im Bereich des Teileigentums, einschl. der zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftseigentums, liegenden tragenden Betonteile zu tragen haben.

Das AG hat am 10.9.2002 dem Antrag stattgegeben. Das LG hat durch Beschl. v. 10.9.2003 dem Antrag nur insoweit entsprochen, als Gegenstand die Sanierung der tragenden Betonteile ist; i.Ü. hat es die Anträge abgewiesen. Dagegen haben sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie verfolgen ihre ursprünglichen Anträge weiter, die Antragsgegner jedoch nur insoweit, als sie zur Kostentragung einer über eine erstmalige ordnungsmäßige Herstellung hinausgehenden Sanierung der tragenden Betonteile verpflichtet wurden.

II. Das Rechtsmittel der Antragsteller hat im Wesentlichen keinen Erfolg, während das Rechtsmittel der Antragsgegner begründet ist.

1. Das LG hat zur Begründung ausgeführt:

Die Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergebe, dass die Betonsanierung Sache der Wohnungseigentümer insgesamt sei, während der Austausch der Fen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge