Leitsatz (amtlich)

Wer familienfremde ältere Personen auf unbestimmte Zeit in sein Haus aufnimmt und diesen gegen Entgelt nicht nur Unterkunft, sondern auch Leistungen nach Art eines Heimes (Verpflegung, Betreuung bei Pflegebedürftigkeit) gewährt, betreibt jedenfalls dann ein Heim im Sinn des § 1 Abs. 1 HeimG, wenn er die Absicht hat, immer wieder solche Personen aufzunehmen und damit eine von den konkret betreuten Personen unabhängige Einrichtung zu unterhalten. Die konkrete Zahl der Bewohner ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

 

Normenkette

HeimG §§ 1, 14; BGB § 134

 

Verfahrensgang

LG Deggendorf (Beschluss vom 19.10.1998; Aktenzeichen 1 T 228/97)

AG Deggendorf (Aktenzeichen VI 611/97)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 19. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2, 3, 4, 11 und 15 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 250.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die am 8.9.1997 im Alter von fast 75 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Die Beteiligten zu 2 bis 15 sind ihre gesetzlichen Erben. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Hausgrundstück.

Die Beteiligte zu 1, eine entferntere Verwandte des Ehemanns der Mutter der Erblasserin, bewohnt zusammen mit ihrer Familie das Erdgeschoß eines Hauses, in dessen Obergeschoß sich eine Wohnung mit 4 Zimmern, einer Küche, einem Bad und einer Toilette befindet. Sie hat in diese Wohnung wiederholt gegen Entgelt ältere, zum Teil pflegebedürftige Personen aufgenommen, die sie gepflegt und versorgt hat, und sich auch mehrfach in Zeitungsinseraten zur Aufnahme und Pflege alleinstehender pflegebedürftiger Personen erboten. Ein Verwaltungsverfahren, in dem ihr diese Tätigkeit untersagt werden sollte, endete vor dem Verwaltungsgericht durch Erledigung in der Hauptsache, weil die Beteiligte zu 1 erklärte, sie werde die Tätigkeit nicht fortführen.

Ab Oktober 1994 bewohnte eine ältere pflegebedürftige Dame, für deren Unterbringung und Pflege ein monatliches Entgelt von 2.100 DM bezahlt wurde, ein Zimmer der Wohnung. Die Beteiligte zu 1 behielt ab einem späteren Zeitpunkt auch die Leistungen aus der Pflegeversicherung für diese Person für sich. Ab 7.12.1994 bis zu ihrem Tod lebte zusätzlich die Erblasserin in der Wohnung und wurde dort von der Beteiligten zu 1 versorgt. Hierfür wurden in den ersten Monaten Zahlungen von 2.100 DM geleistet. Ab 31.1.1995 besaß die Beteiligte zu 1 eine Generalvollmacht der Erblasserin. Sie behielt in der Folgezeit Einkünfte der Erblasserin aus Renten und Vermietung sowie die für die Erblasserin bestimmten Leistungen der Pflegeversicherung für sich. Ihr ist auch ein Sparguthaben über ca. 102.000 DM, über das sie als Generalbevollmächtigte verfügen konnte, zugeflossen, wobei das Geld nach ihren Angaben zum Teil für die Renovierung des Hauses der Erblasserin verwendet wurde. Ab Juni 1995 wurde in der Wohnung eine weitere damals 78jährige Frau untergebracht, so daß nunmehr drei Personen dort lebten. Auch für diese Unterbringung wurde der Beteiligten zu 1 eine Vergütung bezahlt, sie behielt die Leistungen aus der Pflegeversicherung für sich.

Die Erblasserin hat am 31.1.1995 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin, deren Töchter zu Ersatzerben eingesetzt hat. Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein als Alleinerbin beantragt. Das Nachlaßgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 5.12.1997 abgelehnt, da die Erbeinsetzung wegen Verstoßes gegen § 14 HeimG nichtig sei. In dem Beschluß hat es ferner festgestellt, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, und einen Rechtsanwalt zum Nachlaßpfleger bestellt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen diesen Beschluß hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Verfügung der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1 in dem Testament vom 31.1.1995 sei wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 HeimG nichtig. Bei dem Anwesen der Beschwerdeführerin habe es sich um eine Einrichtung im Sinne von § 1 HeimG gehandelt. Dies ergebe sich daraus, daß die Beteiligte zu 1 dort ältere, pflegebedürftige Personen jedenfalls zum Teil auf unbestimmte Zeit gegen Entgelt aufgenommen, untergebracht und gepflegt habe, und daß sie in Zeitungsinseraten öffentlich Pflegeplätze bzw. einen Altersruhesitz in ihrem Haus angeboten habe. Die Erblasserin sei in dieser Einrichtung vom 7.12.1994 bis zu ihrem Tod untergebracht gewesen. Von einer verwandtschaftlichen Beziehung zwischen der Beteiligten zu 1 und der Erblasserin könne keine Rede sein. Die Beteiligte zu 1 habe von der testamentarischen Verfügung gewußt und sich daher als Heimbetreiberin eine Zuwendung im Sin...

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