Leitsatz (amtlich)
Ob in einem mit dem Grad „Diplom-Staatswissenschaftler” abgeschlossenem Studium an der „Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR” für Betreuungen nutzbare Kenntnisse, insb. in den dort absolvierten Rechtsgebieten, durch eine einem Hochschulstudium vergleichbare Ausbildung i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG erworben wurden, hängt zum einen von einer formellen Anerkennung der Gleichwertigkeit des Abschlusses mit einem in den alten Bundesländern erworbenem Ausbildungsabschluss auf einem entspr. Fachgebiet ab. Zum anderen bedarf es tatsächlicher Feststellungen über den Inhalt und die Tiefe der Stoffvermittlung hinsichtlich der dabei erworbenen Rechtskenntnisse, die den Schluss rechtfertigen können, der Betreuer habe in seinem Studium „das juristische Handwerk gelernt” (vgl. KG BtPrax 2002, 167).
Normenkette
BGB § 1836a; BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 T 6369/02) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 2248/01) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 11.10.2002 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Gründe
I. Für die vermögenslose Betroffene wurde mit Beschluss vom 18.10.2001 eine vorläufige Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge sowie Aufenthaltsbestimmung einschl. der Entscheidung über eine Unterbringung bestellt. Die vorläufige Betreuung endete mit Ablauf des 17.4.2002.
Mit Schreiben vom 28.6.2002 beantragte die berufsmäßig tätige ehemalige vorläufige Betreuerin (im Folgenden: Betreuerin) für den Zeitraum vom 16.10.2001 bis 22.5.2002 eine aus der Staatskasse zu leistende Zahlung für Vergütung und Aufwendungsersatz i.H.v. 532,32 Euro. Hierbei legte sie einen Zeitaufwand von 8,68 Stunden bis 31.12.2001 bzw. 2,75 Stunden ab 1.1.2002 mit einem Stundensatz von 60 DM bzw. 31 Euro sowie Auslagen i.H.v. 83,17 DM und 9,51 Euro, jeweils zzgl. Mehrwertsteuer zugrunde. Den Stundensatz begründete sie u.a. mit einem im Jahr 1983 als „Diplom-Staatswissenschaftler” abgeschlossenen Studium an der „Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR” in Potsdam sowie einem im Jahr 1976 am Institut für Lehrerbildung der DDR erzielten Fachschulabschluss als Haupterzieherin mit den Fächern Kunsterziehung und Werken.
Mit Beschluss vom 17.7.2002 setzte das zuständige VormG die der Betreuerin für den in Rede stehenden Zeitraum aus der Staatskasse zu erstattende Entschädigung auf 289,64 Euro fest. Dem liegt u.a. eine Kürzung des beantragten Stundensatzes auf 35 DM für das Jahr 2001 und auf 18 Euro für das Jahr 2002 zugrunde.
Auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin hat das LG am 11.10.2002 den Beschluss des AG dahin abgeändert, dass die aus der Staatskasse zu zahlende Entschädigung auf 466,46 Euro festgesetzt werde. Hierbei wurde zugrundegelegt, dass der Betreuerin aufgrund der Ausbildung zum Diplom-Staatswissenschaftler der von ihr begehrte erhöhte Stundensatz von 60 DM bzw. 31 Euro zustehe. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage wurde die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen diesen Beschluss hat die Staatskasse mit Schriftsatz vom 18.10.2002 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insb. vom LG zugelassen (§ 69e S. 1, § 56g Abs. 5 S. 2 FGG). Es hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Betreuerin stehe für den maßgeblichen Abrechnungszeitraum als Vergütung ein Stundensatz von 60 DM bis Ende 2001 und von 31 Euro ab 1.1.2002 gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG zu.
Die Betreuerin habe „besondere Kenntnisse”, die für die Führung der Betreuung i.S.d. Vorschrift nutzbar seien durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung an der „Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR” erworben.
Laut ihrem Zeugnis habe die Betreuerin die Hauptprüfung in den Fächern „Marxismus-Leninismus”, „Staats- und Rechtstheorie” sowie „Staatsrecht der DDR” und „Verwaltungsrecht der DDR” abgelegt. Sie habe weitere Abschlussprüfungen in den Fächern „Grundlagen der marxistisch-leninistischen Philosophie”, „Grundfragen der marxistisch-leninistischen politischen Ökonomie Wirtschaftspolitik”, „Wissenschaftlicher Kommunismus”, „Wissenschaftliche Organisation der staatlichen Leitung”, „Volkswirtschaftsplanung”, „Arbeitsrecht der DDR”, „Wirtschaftsrecht der DDR”, und „Agrarrecht” abgelegt. Des Weiteren habe sie die Fächer „Gerichtsverfassungs- und Staatsanwaltschaftsrecht”, „Kriminalitätsbekämpfung und -vorbeugung” sowie „Zivilrecht” belegt, die ebenfalls benotet worden seien.
Die Kammer hat aufgrund einer fernmündlich eingeholten Auskunft der Betreuerin angenommen, dass diese in den genannten Rechtsgebieten eine jeweils einsemestrige Grundlagenausbildung erhalten habe. Hierin liege der Unterschied ggü. den Fallgestaltungen in zwei Entscheidungen des OLG Brandenburg zur Ausbildung als Staatswissenschaftler an der Fachschule Weimar (FamRZ 2002, 349) sowie zur Hochschulausbildung als „Diplom-Staatswissenschaftler...