Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungssache
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entrümpelung einer Wohnung kann grundsätzlich als Aufgabenkreis eines Betreuers bestimmt werden.
2. Die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnliche Maßnahmen und Betreten der Wohnung des Betroffenen auch gegen dessen Willen können nicht zur Ermöglichung der Durchführung der Entrümpelung einer Wohnung bestimmt werden, wenn nicht eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Betroffenen durch die Vermüllung verursacht ist.
Normenkette
GG Art. 13; BGB § 1896 Abs. 1, § 1906 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 5 T 760/01) |
AG Augsburg (Aktenzeichen XVII 631/00) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 14. März 2001 und der Beschluß des Amtsgerichts Augsburg vom 6. Februar 2001 wird bezüglich des Aufgabenkreises Betreten der Wohnung gegen den Willen der Betreuten aufgehoben.
II. Bezüglich der Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über die Unterbringung, Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 14. März 2001 aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
III. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Am 23.06.2000 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene eine Berufsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen u. a. Sorge für die Gesundheit, Wohnungsangelegenheiten, Besorgung von Behörden-, Versicherungs-, Renten- und Sozialangelegenheiten. Am 06.02.2001 beschloß das Amtsgericht die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuerin auf die Aufenthaltsbestimmung, die Entscheidung über die Unterbringung und über unterbringungsähnliche Maßnahmen sowie auf die Entrümpelung der Wohnung inklusive Betreten der Wohnung gegen den Willen der Betreuten. Die gegen die Erweiterung des Aufgabenkreises gerichtete Beschwerde der Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluß vom 14.03.2001 zurück. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist überwiegend begründet.
1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 22.01.2001 und die Protokolle über die Anhörung der Betroffenen durch das Amtsgericht seine Entscheidung wie folgt begründet:
Auch die Beschwerdekammer sei aufgrund der Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen sowie der Äußerungen der Betroffenen im Rahmen der ärztlichen Untersuchung und bei den Anhörungen durch das Vormundschaftsgericht der Auffassung, daß die Erweiterung der Aufgabenkreise wegen der psychischen Erkrankung der Betroffenen notwendig sei. Die Betroffene sei aufgrund ihrer extremen Sammelleidenschaft nicht in der Lage, den vermüllten Zustand der Wohnung als solchen zu realisieren; auch finde sie immer wieder Erklärungen für das Herumliegen von Gegenständen, die sie nicht als Müll betrachte. Die Betroffene habe seit Mai 2000 wiederholt ihre Bereitschaft zur Mithilfe bei der Entrümpelung und Renovierung ihrer Wohnung erklärt bzw. erklären lassen, dann aber wieder erklärt, sie habe kein Geld hierfür. Da die Betroffene krankheitsbedingt nicht einzusehen vermöge, daß die von ihr gesammelten Dinge u. a. wegen des von ihnen ausströmenden unangenehmen Geruchs von den Hausmitbewohnern und auch vom Vermieter als äußerst störend empfunden wurden, müßten die einlenkenden überwiegend anwaltlich vorgetragenen Erklärungen der Betroffenen als Lippenbekenntnisse qualifiziert werden. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Betroffenen und des von den Gutachtern geschilderten Krankheitsbildes sei nicht zu erwarten, daß die Betroffene sich bei Durchführung der notwendigen Maßnahmen kooperativ zeigen werde. Eine Änderung des bisherigen Zustandes erscheine jedoch insbesondere im Hinblick auf den drohenden Verlust der Wohnung dringend notwendig. Das Vormundschaftsgericht habe daher zutreffend der Betreuerin durch Erweiterung der Aufgabenkreise hinsichtlich der Angelegenheiten Wohnungsentrümpelung sowie Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen die rechtlichen Kompetenzen zur Realisierung der Entrümpelung und der Wohnungsrenovierung notfalls auch gegen den Willen der Betroffenen erteilt.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.
a) Der Aufgabenkreis des Betreuers ist zu erweitern, wenn dies erforderlich wird. Für die Erweiterung gelten die Vorschriften über die Bestellung des Betreuers entsprechend (§ 1908 d Abs. 3 BGB). Voraussetzung hierfür ist danach, daß ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten in den Bereichen, auf die der Aufgabenkreis erweitert wird, nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers von Amts wegen setzt voraus, daß der Betroffene auf...