Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn und somit das Testament Raum für Zweifel am Umfang der von dem Ehegatten gewollten Bindungswirkung lässt.

 

Normenkette

BGB § 2270 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 14.11.1996; Aktenzeichen 16 T 18327/96)

AG München (Aktenzeichen 60 VI 11268/95)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 14. November 1996 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Aus der Ehe der 1995 im Alter von 87 Jahren verstorbenen Erblasserin mit ihrem im Jahr 1967 vorverstorbenen Ehemann war ein Sohn hervorgegangen. Dieser ist 1968 verstorben.

Er hinterließ drei Kinder, die 1961 ehelich geborene Beteiligte zu 1 und die 1968 bzw. 1956 nichtehelich geborenen Beteiligten zu 2 und 3.

Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten am 21.11.1962 ein von ihr handschriftlich ge- und von beiden unterschriebenes gemeinschaftliches Testament errichtet. Es lautet wie folgt:

(Unser) Mein letzter Wille!

Wir, die Eheleute … bestimmen als unseren letzten Wille:

Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein. Nach unserem Ableben machen wir unserem einzigen Sohn zur Auflage, daß er den uns geschaffenen Besitz erhält, und nie verkauft werden darf.

Zu notarieller Urkunde vom 4.4.1977 erklärte die Erblasserin die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments wegen Irrtums. Zur Begründung führte sie aus, ihr und ihrem Ehemann sei bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments 1962 nicht bekannt gewesen, daß ihr Sohn weitere nichteheliche Kinder haben würde, die eines Tages pflichtteilsberechtigt werden könnten. Mit notariellem Testament vom selben Tag setzte die Erblasserin die Beteiligten zu 1 bis 3 zu gleichen Teilen zu ihren Erben ein.

Mit notarieller Urkunde vom 5.7.1983 widerrief die Erblasserin das Testament vom 4.4.1977 und setzte den Beteiligten zu 2 als ihren Alleinerben ein. Mit notariellem Widerrufstestament vom 21.3.1990 setzte sie einen Freund zum Erben ein.

Schließlich widerrief sie mit notariellem Testament vom 12.12.1994 die vorangegangenen letztwilligen Verfügungen und setzte die Beteiligte zu 1 zu ihrer Alleinerbin ein.

Der Nachlaß besteht aus einem Hausgrundstück und zwei Eigentumswohnungen sowie Geldvermögen.

Der Beteiligte zu 2 hat beim Amtsgericht einen Teil-Erbschein beantragt, der ihn als Erbe zu 1/3 ausweisen soll. Die Beteiligte zu 3 hat für sich entsprechenden Antrag gestellt. Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, ihr einen Alleinerbschein aufgrund des Testaments vom 12.12.1994 zu erteilen.

Mit Beschluß vom 18.7.1996 hat das Nachlaßgericht angekündigt, der Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist.

Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht München I mit Beschluß vom 14.11.1996 zurückgewiesen hat. Hiergegen hat der Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht ist übereinstimmend mit dem Nachlaßgericht davon ausgegangen, daß die Beteiligte zu 1 Alleinerbin aufgrund des Testaments vom 12.12.1994 geworden sei. Die Erblasserin sei weder durch das gemeinschaftliche Testament vom 21.11.1962 noch durch die nachfolgenden Testamente gehindert gewesen, die Beteiligte zu 1 als Abkömmling des gemeinsamen Sohnes als Erbin einzusetzen. Deren Erbeinsetzung habe sich nämlich innerhalb der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehalten. Dieses hat das Landgericht dahin ausgelegt, daß die Ehegatten den vorverstorbenen Sohn der Erblasserin durch wechselbezügliche Verfügungen als Schlußerben eingesetzt hätten, ohne dessen Testierfreiheit bei Auswahl seiner Abkömmlinge als Erben zu beschränken. Eine weitergehende Bindungswirkung als für den vorgesehenen und weggefallenen Schlußerben entfalte das Testament - unbeschadet der Auslegungsregel des § 2069 BGB - auch nicht für den überlebenden Ehegatten. Im Hinblick darauf komme es auf die Frage der Wirksamkeit der Anfechtung vom 4.4.1977 nicht mehr an.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) stand. Ohne Rechtsfehler hat es angenommen, daß die Erblasserin aufgrund des Testaments vom 12.12.1994 von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden ist und der Wirksamkeit dieser letztwilligen Verfügung das gemeinschaftliche Testament vom 21.11.1962 nicht entgegensteht.

a) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht davon aus, daß die Erblasserin durch das gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann formgültig errichtete Berliner Testament (§§ 2267, 2247 Abs. 1 BGB) ihren Sohn als Schlußerben eingesetzt hat (§ 2269 Abs. 1 BGB).

aa) Das Landgericht hat die im gemeinschaftlichen Testament enthaltene ...

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