Leitsatz (amtlich)

1. Werden zwei Gesellschaften auf eine dritte Gesellschaft verschmolzen und liegen die Sitze der verschmolzenen Gesellschaften in verschiedenen Landgerichtsbezirken kann, wenn für beide Gesellschaften Spruchstellenverfahren anhängig gemacht werden, ein gemeinsames zuständiges Gericht bestimmt werden.

2. Die Bestimmung erfolgt in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG nach Zweckmäßigkeitserwägungen.

 

Normenkette

FGG §§ 4-5; UmwG § 306 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 5 HKO 4304/01)

 

Tenor

Eine Entscheidung über die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts für die bei dem Landgericht München I und dem Landgericht Frankfurt a. Main anhängigen Spruchstellenverfahren gegen die Degussa Aktiengesellschaft ergeht nicht.

 

Gründe

I.

Mit Verschmelzungsvertrag vom 17.10.2000 übertrugen die A-AG mit dem Sitz in München und die B-AG mit dem Sitz in Frankfurt a. Main ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf die Degussa AG gegen die Gewährung von Aktien der C-AG (Verschmelzung durch Aufnahme). Im Hinblick auf diesen Vertrag sind gegen die C-AG Spruchstellenverfahren beantragt worden:

Beim Landgericht München I ist ein von zwischenzeitlich 43 Aktionären beantragtes Spruchstellenverfahren anhängig, in dem die gerichtliche Bestimmung der Verbesserung des Umtauschverhältnisses von für je 22 auf den Inhaber lautenden Stückaktien der A-AG gegen fünf auf den Inhaber lautenden Stückaktien der C-AG begehrt wird. Der diesbezügliche erste Antrag ging beim Landgericht München I am 6.3.2001 ein.

Am gleichen Tag wurde beim Landgericht Frankfurt a. Main der erste Antrag gestellt auf Einleitung eines Spruchstellenverfahrens zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses von für je eine auf den Inhaber lautende Stückaktie der B-AG gegen eine auf den Inhaber lautende Stückaktie der C-AG.

Das Landgericht München I hat mit Beschluß vom 6.9.2001, hier eingegangen am 11.9.2001, beantragt, für beide Spruchstellenverfahren analog § 5 Abs. 1 FGG das gemeinsam örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.

II.

Wird ein Rechtsträger durch Übertragung seines Vermögens auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen (§ 2 UmwG), kann jeder Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses (§ 15 UmwG) oder des Abfindungsangebots (§ 29 UmwG) die gerichtliche Entscheidung in einem Spruchstellenverfahren beantragen (§§ 305 ff. UmwG). Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk der übertragende Rechtsträger seinen Sitz hat (§ 306 Abs. 1 UmwG; KG ZIP 2000, 498/500). Werden, wie dies § 2 UmwG ausdrücklich vorsieht, mehrere Rechtsträger gleichzeitig auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen, kann sich nach dem Gesetzeswortlaut die Zuständigkeit mehrerer Landgerichte ergeben, wenn die übertragenden Rechtsträger in verschiedenen Landgerichtsbezirken ihren Sitz haben. Beantragen in einem solchen Fall die Anteilseigner mehrerer übertragender Rechtsträger die gerichtliche Überprüfung, stellt sich die Frage, ob mehrere getrennte Spruchstellenverfahren durchgeführt werden müssen. Das vorlegende Landgericht ist der Auffassung, daß in einem solchen Fall in analoger Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG eines der zuständigen Gerichte als gemeinsames Gericht zur Durchführung der Verfahren bestimmt werden kann. Dem schließt sich der Senat an.

1. Eine gemeinsame Zuständigkeit des Gerichts, das zuerst in der Sache tätig geworden ist, gemäß § 4 FGG ist nicht begründet (Bork ZIP 1998, 550/552). Diese Bestimmung setzt voraus, daß mehrere Gerichte in derselben Sache tätig werden (vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 4 Rn. 10). Dies ist, wenn wie hier Aktionäre verschiedener übertragender Gesellschaften gegen die übernehmende Gesellschaft jeweils die Durchführung eines Spruchstellenverfahrens beantragen, nicht der Fall. Die Verfahren betreffen verschiedene Gegenstände und damit verschiedene Sachen im Sinn von § 4 FGG, da im jeweiligen Spruchstellenverfahren über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses für die Aktionäre jeweils nur einer übertragenden Gesellschaft entschieden wird (Behnke NZG 1999, 1175; Bungert BB 1995, 1399/1400; vgl. Münchener Kommentar/Bilda AktG 2. Aufl. § 306 Rn. 17).

2. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG liegen ebenfalls nicht vor, da im Hinblick auf die Regelung des § 306 Abs. 1 UmwG keine Ungewißheit darüber besteht, welches Landgericht jeweils für das die einzelne übertragende Gesellschaft betreffende Spruchstellenverfahren zuständig ist.

3. Gleichwohl besteht ein überragendes praktisches Bedürfnis für eine gemeinsame Durchführung der Spruchstellenverfahren. Zur Bestimmung der für eine eventuelle Zuzahlung maßgebenden Verschmelzungswertrelation ist jeweils auch die übernehmende Gesellschaft zu bewerten. Diese oft sehr aufwendige und kostenintensive Bewertung sollte schon aus praktischen Gründen nur einmal und damit in einem Verfahren durchgeführt werden. Darüber hinaus besteht bei der Durchführung mehrerer Verfahren die Gefahr widersp...

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