Leitsatz (amtlich)

1. Eheleute, die einen Erbvertrag geschlossen haben, können durch ein gemeinschaftliches Testament Bestimmungen des Erbvertrages in der Weise ergänzen, dass sich die neuen Verfügungen nach dem Willen der Testierenden mit den bisherigen, weiter bestehen bleibenden als einziges gemeinschaftliches Testament darstellen.

2. Die darin getroffenen Verfügungen können auch durch einen Aufhebungsvertrag gem. § 2290 Abs. 1 S. 1 BGB widerrufen werden.

 

Normenkette

BGB §§ 2265, 2269, 2271 Abs. 1 S. 2, § 2290

 

Verfahrensgang

LG Passau (Aktenzeichen 2 T 207/01)

AG Passau (Aktenzeichen 2 VI 269/01)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1.2.2002 ergangenen Beschluss des LG Passau wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligte zu 1) die der Beteiligten zu 2) im Beschwerdeverfahren vor dem LG entstandenen Kosten zu erstatten hat.

II. Die Beteiligte zu 1) hat die der Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 115.551,96 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasser war seit 16.6.1950 mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Seit 1993 lebten die Eheleute nach vorausgegangenen – auch gerichtlich ausgetragenen – Streitigkeiten getrennt. In den letzten Lebensjahren wurde der im Altenheim lebende Erblasser von der Beteiligten zu 2) betreut. Der Beteiligte zu 3) ist der 1953 geborene Sohn des Erblassers und der Beteiligten zu 1). Ihre 1960 geborene Tochter ist am 18.11.2000 ohne Hinterlassung von Kindern verstorben. Die Beteiligte zu 1) hat eine voreheliche Tochter.

Am 21.6.1954 schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 1) einen notariellen „Ehe- und Erbvertrag”, in dem sie unter Ziff. I allgemeine Gütergemeinschaft vereinbarten. Unter Ziff. II heißt es:

1. Für den ersten bei uns eintretenden Sterbefall vereinbaren wir durch diesen Erbvertrag was folgt:

a) Wir setzen uns gegenseitig zum alleinigen Erben ein, so dass also der gesamte Nachlass des zuerst sterbenden Eheteils dem überlebenden Eheteil zufällt.

b) Sind beim Vorableben eines Eheteiles Abkömmlinge desselben vorhanden, so ist der überlebende Eheteil und Erbe verpflichtet, diesen Abkömmlingen zusammen nach gleichen Stammteilen den vierten Teil des reinen Wertes des vorhandenen Gesamtvermögens als väterliches oder mütterliches Vermögen vermächtnisweise auszuzeigen und auf Verlangen sicherzustellen.

Allenfallsige Vorempfänge sind auf diese Vermächtnisse anzurechnen.

c) Sind beim Vorableben des einen Eheteiles Abkömmlinge desselben nicht vorhanden, so ist der überlebende Eheteil und Erbe nicht verpflichtet, an die Verwandten des vorverstorbenen Eheteiles irgendwelche Vermächtnisse hinauszubezahlen.

d) Für die Berechnung der Vermächtnisse bzw. etwaiger Pflichtteilsansprüche ist unser Anwesen nur mit dem Ertragswert anzusetzen.

2. Die Ehefrau hat ein voreheliches Kind K.

Es ist der Wille der Beteiligten, dass dieses Kind den beiden Vertragsschließenden ggü. Ansprüche in der gleichen Höhe haben soll, wie ein aus der Ehe hervorgegangenes eheliches Kind. Es wird daher vereinbart:

a) Ist der Ehemann der Vorablebende, so nimmt dieses Kind an dem ausgesetzten Geldvermächtnis in Höhe des vierten Teiles des reinen Gesamtgutes zu einem entspr. Anteil teil.

b) Ist der Ehemann der Letztversterbende, so setzt er für den Fall, dass er keine abw. letztwillige Verfügung hinterlässt, dieses Kind zu einem Erbteil ein, wie er ihm zufallen würde, falls es sein eheliches Kind wäre. S.a. unten!

In Ziff. VIII heißt es:

Zu Ziff. II am Schlusse wird noch nachgetragen, dass das Kind auf jeden Fall beim Ableben des überlebenden Ehemannes ein Geldvermächtnis in der Höhe erhalten muss, die das gesetzliche Pflichtteilsrecht des Kindes hätte, wenn es ein eheliches Kind wäre.

Am 17.11.1979 verfassten der Erblasser und die Beteiligte zu 1) eine dreiseitige letztwillige Verfügung. Der vom Erblasser handschriftlich verfasste und unterschriebene Teil dieser Verfügung lautet:

Ergänzung zum Ehe- und Erbvertrag vom 21.6.1954.

Ich und meine Ehefrau schreiben dieses Testament in gegenseitiger Übereinkunft.

Als letzten Willen im Falle eines Todes beider Personen. Der obengenannte Ehe und Erbvertrag soll seine Gültigkeit behalten, jedoch sollen die Punkte 1b und 2a, b sollen aus dem Ehe und Erbvertrag Ihres Rechtsgültigkeit darin völlig erlöschen.

Als weiteres sollen folgende unten aufgeführte Anordnung zur Teilung unseres Nachlasses befolgt werden.

I. Im Falle eines Todes eines Ehepartners überträgt sich das gesammte Vermögen auf dem Überlebenden.

Nach dem Tod des zweiten Ehepartners erhalten die unten aufgeführten Punkte (ab II die völlige Rechtsgültigkeit).

II. Das Haus in A. soll unsere Tochter erhalten (schuldenfrei).

III.a) Das Haus in B. soll unser Sohn erhalten.

b) Außerdem hatt unsere Tochter in diesem Haus im Erdgeschoss, das Wohnrecht, solange sie noch in Berufsausbildung steht, und keinen festen Verdienst ha...

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