Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Besteht die Rechtsfolge einer Verwirkungsklausel im Verlust testamentarischer Zuwendungen, so handelt es sich um eine auflösende Bedingung (§ 2075 BGB) für den Fall der Zuwiderhandlung. Welche Rechtsfolge eine Zuwiderhandlung im Einzelfall auslost, ist durch Auslegung der Klausel zu ermitteln. Das kann dazu fuhren, daß der Überlebende gegenüber dem seinen Pflichtteil fordernden Schlußerben an seine Verfügung nicht mehr gebunden ist.

2. Richtet sich die Verwirkungsklausel gegen eine Person, die bei einer Zuwiderhandlung die Anwartschaft auf eine spätere Erbenstellung verlieren soll, wie dies bei einer gegenseitigen Erbeinsetzung von Ehegatten in Verbindung mit einer Schlußerbeneinsetzung und einer Pflichtteilsklausel der Fall ist, so kommt der Klausel nicht die Bedeutung der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft zu; der überlebende Ehegatte wird vielmehr mit der Zuwiderhandlung endgültig Vollerbe und ist an die erbvertragliche Schlußerbeneinsetzung nicht mehr gebunden.

3. Zur Frage der Anfechtbarkeit eines Pflichtteilsverlangens.

 

Normenkette

BGB § 1793 Abs. 1, §§ 1909, 1915 Abs. 1, §§ 2074, 2289 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 29.07.1988; Aktenzeichen 16 T 4927/87)

AG München (Aktenzeichen 95 VI 8117/86)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 29. Juli 1988 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 40.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Am 27.8.1986 verstarb der verheiratete Erblasser im Alter von 76 Jahren. Er war seit 1955 mit der Beteiligten zu 1 in zweiter, kinderloser Ehe verheiratet. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind Kinder aus seiner ersten Ehe. Im Jahr 1955 hat der Erblasser eine nichtehelich geborene Tochter seinem zweiten Ehefrau adoptiert.

Der Wert des Reinnachlasses betragt nach den Angaben der Beteiligten zu 1 rund 235.000 DM

Mit seiner … 1953 verstorbenen ersten Ehefrau hatte der Erblasser … 1944 einen notariellen Erbvertrag geschlossen in dem unter anderem folgendes vereinbart wurde

I.

Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein, nehmen diese gegenseitige Erbeinsetzung an und bestimmen, daß nach dem Tode des Überlebenden von uns oder bei unserem gleichzeitigen Ableben der beiderseitige Nachlaß an unsere gemeinschaftlichen Kinder zu gleichen Teilen fallen soll.

III.

Wenn ein Kind mit den Bestimmungen des Erbvertrages nicht einverstanden ist, und aus dem Nachlaß des Erstversterbenden von uns seinen Pflichtteil verlangt, so soll es auch aus dem Nachlaß des Überlebenden von uns nur den Pflichtteil erhalten.

Am 20.4.1981 errichtete der Erblasser ein handgeschriebenes Testament mit folgendem Wortlaut:

Nach meinem Tode setze ich meine Frau (= Beteiligte zu 1) … als meine Alleinerbin meines ganzen Vermögens ein.

Sollte meine Frau finanziell nicht in der Lage sein, das vom Gericht festgelegte Erbteil der Kinder in Bar auszuzahlen, so soll dies in kleinen Raten geschehen.

Die Beteiligte zu 1 beantragte einen Alleinerbschein aufgrund des Testaments vom 20.4.1981 mit der Begründung, daß die drei Kinder des Erblassers aus dessen erster Ehe nach gem. Tod ihrer Mutter den Pflichtteil geltend gemacht und daher aufgrund der Verwirkungsklausel in Erbvertrag ihr Erbrecht verloren hatten.

Die Beteiligten zu 2 und 4 widersetzten sich diesem Antrag mit der Behauptung, sie hatten zu keiner Zeit den Pflichtteil nach ihrer Mutter verlangt Soweit für sie ihr Ergänzungspfleger gehandelt habe, brauchten sie sich dessen Erklärungen nicht zurechnen zu lassen. Der Beteiligte zu 3 erklärte, daß er die Geltendmachung des Pflichtteils vorsorglich anfechte.

Das Nachlaßgericht wies am 20.2.1987 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurück. Zur Begründung führte es aus, daß sich die Erbfolge nach dem Erbvertrag richte. Es sei nicht nachgewiesen, daß die Kinder mit den Bestimmungen des Erbvertrags nicht einverstanden gewesen seien, so daß die Verwirkungsklausel nicht eingreife.

Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgte. Mit Beschluß vom 29.7.1988 hob das Landgericht die Entscheidung des Nachlaßgerichts auf und wies dieses an, der Beteiligten zu 1 einen Alleinerbschein zu erteilen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 Die Beteiligte zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Bei der unter Nr. III des Erbvertrags getroffenen Anordnung handle es sich um eine Verwirkungsklausel, deren Voraussetzungen dann erfüllt seien, wenn sich aus dem Pflichtteilsverlangen eine Auflehnung gegen den Willen der Ehegatten ergebe und ein solches Verhalten als „strafwürdig” zu er...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge