Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit um zivilprozessuale Zuständigkeitsbestimmung
Normenkette
EGZPO § 9; ZPO §§ 21, 36 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.
Gründe
Mit der beabsichtigten Klage will der Antragsteller die Antragsgegner als in einer Anwaltskanzlei mit Sitz in Berlin tätige Rechtsanwälte gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Zur Begründung bringt der Antragsteller vor, die Antragsgegnerin zu 2), die im Internetauftritt der Anwaltskanzlei als zeichnungsberechtigte freie Mitarbeiterin bezeichnet werde und im Geschäftsverkehr unter dem Namen der Rechtsanwaltskanzlei und mit deren Briefkopf auftrete, sei von ihm unter der Adresse des Standorts der Anwaltskanzlei in München aufgesucht und mandatiert worden. Sie habe als sachbearbeitende Rechtsanwältin ein Anwaltsmandat zur Unzeit vorzeitig gekündigt, so dass er gezwungen gewesen sei, während eines laufenden Prozesses einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen. Hierfür habe er weitere Kosten aufwenden müssen. Die Antragsgegnerin zu 2) habe außerdem ohne Aufklärung über das Kostenrisiko und ohne Vorliegen von Verzug einen Klageentwurf für eine Klage gegen die Rechtsschutzversicherung gefertigt, jedoch nicht eingereicht, da die Rechtsschutzversicherung die begehrte Kostendeckungszusage wenige Tage später erteilt habe. Dennoch seien ihm von der Antragsgegnerin zu 2) Kosten in Rechnung gestellt worden, die er beglichen habe. Der Antragsgegner zu 1) trete als Kanzleiinhaber der Rechtsanwaltskanzlei auf. Es gälten die Grundsätze der Außensozietät, so dass der Antragsgegner zu 1) als Kanzleiinhaber und die Antragsgegnerin zu 2) als (Schein-)Sozia gesamtschuldnerisch hafteten.
Der Antragsteller beantragt, das Landgericht München I als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Er wolle die Antragsgegner als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagen. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand bestehe nicht.
Die Antragsgegner wurden angehört. Sie beantragen, den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts zurückzuweisen. Die der Antragsgegnerin zu 2) jeweils erteilte Vollmacht habe nicht auf sie, sondern auf die Rechtsanwaltskanzlei gelautet. Die Kanzlei sei überörtlich tätig. Wenn eine Kanzlei, wie hier, mehrere Standorte habe, dann gelte der besondere Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO.
II. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, denn es wurde zuerst mit der Sache befasst (BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, MDR 2009, 46).
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
a) Die Antragsgegner sind zwar nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen (Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 Rn. 28), insoweit auch schlüssigen Vortrag des Antragstellers hinsichtlich der mit der beabsichtigten Klage geltend gemachten Ansprüche Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO). Die Antragsgegner sollen gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung anwaltlicher Vertragspflichten in Anspruch genommen werden. Soweit der Antragsteller vorbringt, er habe die Antragsgegnerin zu 2) aufgesucht und mandatiert, behauptet auch er keine Einzelmandate, sondern Aufträge, die der aus mehreren Mitgliedern bestehenden Rechtsanwaltskanzlei erteilt worden sind, wobei die Antragsgegnerin zu 2) als sachbearbeitende Rechtsanwältin tätig werden sollte.
b) Die Gerichtsstandsbestimmung ist gleichwohl abzulehnen, da hinsichtlich beider Antragsgegner der besondere Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 Abs. 1 ZPO bei demselben Gericht, nämlich in München, eröffnet ist.
Vorliegend handelt es sich bei dem Kanzleistandort München der "Rechtsanwälte C. & Coll." um eine Niederlassung gemäß § 21 ZPO. Gewerbetreibende im Sinne des § 21 ZPO sind auch die Inhaber von freien Berufen (BGH, Urteil v. 27. Oktober 1983, I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331, juris Rn. 13; Schultzky in Zöller, ZPO, § 21 Rn. 2; Hüßtege in Thomas/Putzo, 39. Aufl., 2018, § 21 Rn. 1; vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. August 2013, 11 AR 234/12, IPRspr 2013, Nr. 217, 474, juris Rn. 5 und 54 f.).
Unter Niederlassung ist jede an einem anderen Ort als dem Sitz auf Dauer eingerichtete Geschäftsstelle zu verstehen, die selbständig zum Geschäftsabschluss und zum Handeln berechtigt ist (Schultzky in Zöller, ZPO, § 21 Rn. 6). Entscheidend ist dabei nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbständigen Niederlassung erweckt wird (BGH, Urteil v. 13. Juli 1987, II ZR 188/86, NJW 1987, 3081; BayObLG, Beschluss vom 14. Dezember 1988, AR 1 Z 90/88, MDR 1989, 459; Schultzky in Zöller, ZPO, § 21 Rn. 8; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 21 Rn. 3). Dies ist hier der Fall. Die Rechtsanwaltskanzlei, für die die Antragsgegner tätig sind, hat unstreitig ein Rechtsanwaltsbüro in München unterhalten. In München wurden auch die ...