Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer baulichen Veränderung
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 21 U II 112/73) |
LG München I (Aktenzeichen 36 T 254/73) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts München I vom 6. März 1974 wird aufgehoben.
II. Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Amtsgerichts München vom 10. Oktober 1973 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens selbst zu tragen haben.
Die Gerichtskosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegner.
III. Der Geschäftswert des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer in der acht Wohnungen umfassenden Eigentumswohnanlage am … in …. Die Antragstellerin … ist gemäß Beschluß der Wohnungseigentümer vom 12.11.1971 zugleich Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Antragsgegner sind Eigentümer der im Aufteilungsplan mit Nr. 201 bezeichneten Erdgeschoßwohnung mit Loggia-Balkon, verbunden mit einem Miteigentumsanteil (einschl. Garage) von 125/1000.
Nach der Teilungserklärung vom 9.5.1968 sind Gegenstand des Sondereigentums u. a. die zu den „Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, welche verändert … werden können, ohne daß dadurch … die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird”. Gemeinschaftliches Eigentum sind u. a. sämtliche Geschoßdecken.
§ 6 der zum Inhalt des Sondereigentums erklärten Gemeinschaftsordnung (GemO) besagt, daß „bauliche Veränderungen, … auch soweit sie das Sondereigentum betreffen, nur mit Zustimmung des Verwalters vorgenommen werden (dürfen), wenn sie geeignet sind, … die äußere Gestaltung des Gebäudes zu verändern”. Nach § 6 Abs. 3 GemO genügt ein Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer für bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum, die „nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erforderlich sind bzw. infolge des technischen Fortschritts oder des gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandards dringend geraten erscheinen”. Gemäß § 14 I der GemO richtet sich das Stimmrecht der Wohnungseigentümer nach der Größe ihrer Miteigentumsanteile, für Beschlüsse ist einfache Stimmenmehrheit ausreichend, „soweit das Gesetz … nicht eine qualifizierte Mehrheit verlangt”.
Der auf der Gartenseite des Anwesens befindliche Loggia-Balkon der Antragsgegner ist an seiner Längsfront mit Betonplatten, an seiner Schmalseite mit einem Eisengitter versehen; ein Treppenabgang von der Schmalseite des Balkons aus in den Garten ist im Aufteilungsplan (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG) nicht vorgesehen.
Nachdem die Antragsgegner im Herbst 1972 ihre Wohnung erworben hatten, äußerten sie gegenüber der Verwalterin die Absicht, an ihrem Balkon eine in den Garten führende Treppe anzubringen. Die Treppe wollten sie in gleicher Weise ausführen lassen wie die Eigentümer der beiden anderen Erdgeschoßwohnungen, diese (die Eigentümer … und …) hatten unter stillschweigender Duldung der Beteiligten nach Öffnung der Eisengitter an der Schmalseite ihrer Balkone je eine mit Spreizdübeln an die Balkonplatte geschraubte Treppe mit fünf Waschbetonstufen angebracht. Die Verwalterin erklärte den Antragsgegnern am 10.4.1973 schriftlich, sie dürften die eine bauliche Veränderung darstellende Treppe erst anbringen lassen, wenn die Wohnungseigentümer diesem Vorhaben mit Mehrheit zustimmen.
In der (u. a.) hierzu einberufenen Eigentümerversammlung am 14.5.1973 stimmten die Eigentümer mit 530 gegen 470/1000 Miteigentumsanteilen trotz der eingehend geäußerten Bedenken der Verwalterin für die Zulässigkeit der Anbringung einer Balkontreppe durch die Antragsgegner.
Am 4./6.6.1973 beantragten die Antragsteller beim Amtsgericht festzustellen, daß die Antragsgegner – auch auf Grund des Beschlusses vom 14.5.1973 – nicht berechtigt seien, die Balkontreppe zu bauen. Sie machten geltend, die Treppe sei eine störende bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum und sei unzulässig, solange nicht sämtliche Eigentümer dem Vorhaben zustimmen. Die Erklärung der Verwalterin vom 10.4.1973 ersetze diese Zustimmung nicht.
Die Antragsgegner widersetzten sich dem Antrag. Sie halten sich durch die Erklärung der Verwalterin vom 10.4.1973 und durch den Beschluß der Eigentümer vom 14.5.1973, der nicht formgerecht angefochten worden sei, für berechtigt, die Treppe anzubringen. Das Vorhaben liege in den Grenzen eines ordentlichen Gebrauchs (§ 14 Nr. 1 WEG), beeinträchtige keine Gebrauchsrechte anderer Eigentümer und unterliege keiner notwendig einstimmigen Beschlußfassung gemäß § 22 WEG. § 6 der Gemeinschaftsordnung ermächtige abweichend von § 22 WEG die Mehrheit der Eigentümer zur Genehmigung baulicher Veränderungen.
Das Amtsgericht gab mit Beschluß vom 10.10.1973 dem Antrag statt. Es erblickt in der beabsichtigten Anbringung der Treppe eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums. Ob hierauf § 22 WEG oder § 6 GemO anzuwenden sei, erscheine fraglich. Jedenfalls fehle aber die schriftliche Zus...