Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Bindung des Grundbuchamtes an die "Kraftloserklärung" der Abgeschlossenheitsbescheinigung
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 09.03.1990; Aktenzeichen 1 T 1072/90) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden der Beschluß des Landgerichts München I vom 9. März 1990 und der Beschluß des Amtsgerichts -Grundbuchamt- München vom 20. Dezember 1989 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Eintragungsantrag an das Amtsgericht -Grundbuchamt- München zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind als Gesellschafter bürgerlichen Rechts Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein älteres Wohn- und Geschäftshaus steht. Mit notarieller Urkunde vom 8.2.1989 haben sie das Grundstück nach 58 des Wohnungseigentumsgesetzes in 20 Miteigentumsanteile aufgeteilt, von denen 13 mit je einem Wohnungseigentum und 7 mit je einem Teileigentum verbunden sind. Zugleich haben die Beteiligten bewilligt und beantragt, die Teilung des Grundstücks im Grundbuch einzutragen. Dem Eintragungsantrag sind ein Aufteilungsplan und eine Abgeschlossenheitsbescheinigung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG vom 12.1.1989 beigefügt.
Das Grundbuchamt hatte zunächst mit Zwischenverfügung vom 20.6.1989 unter Hinweis auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8.5.1989 (ZMR 1989, 354 = DNotZ 1990, 247) ergänzende Nachweise zur Abgeschlossenheitsbescheinigung verlangt. Nachdem der Senat diese Zwischenverfügung mit Beschluß vom 30.11.1989 (BReg. 2 Z 114/89, inhaltsgleich mit BayObLGZ 1989, 447 = DNotZ 1990, 260) aufgehoben hatte, ging beim Grundbuchamt am 20.12.1989 ein mit Unterschrift und Stempel versehenes Schreiben der Baubehörde ein, in dem sie dem Grundbuchamt mitteilt, sie habe die am 12.1.1989 gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG ausgestellte Abgeschlossenheitsbescheinigung am 12.12.1989 gegenüber dem Antragsteller für kraftlos erklärt.
Daraufhin hat das Grundbuchamt mit Beschluß vom 20.12.1989 den Eintragungsantrag der Beteiligten abgewiesen. Das Landgericht hat die ihm als Beschwerde vorgelegte Erinnerung der Beteiligten mit Beschluß vom 9.3.1990 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel der Beteiligten führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, da die Abgeschlossenheitsbescheinigung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG weiterhin vorliegt.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Eintragungsvoraussetzungen für die Begründung von Wohnungseigentum seien ein Eintragungsantrag, die Teilungserklärung als Eintragungsbewilligung sowie die in § 7 Abs. 4 Satz 1 WEG bezeichneten Anlagen, nämlich ein Aufteilungsplan und eine Abgeschlossenheitsbescheinigung. Hier liege dem Grundbuchamt zwar eine Abgeschlossenheitsbescheinigung vor, diese habe jedoch ihre Funktion als „Wissensmitteilung” der Baubehörde durch die Kraftloserklärung verloren. Die Antragsteller könnten sich nicht darauf berufen, daß die Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 12.1.1989 bestandskräftig und nicht abänderbar sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stelle die Abgeschlossenheitsbescheinigung keinen Verwaltungsakt dar, da der Bescheinigung die rechtsverbindliche Einzelfallregelung fehle; sie solle dem Grundbuchamt die Prüfung bautechnischer Fragen erleichtern und binde es nicht. Eine Bescheinigung über einen bautechnischen Sachverhalt könne grundsätzlich ohne erhöhte rechtliche Bindung, die sich aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergeben könne, gegenstandslos gemacht werden. Ein formeller Widerruf oder eine Rücknahme nach Art. 48, 49 BayVwVfG sei deshalb nicht nötig. Hierüber hätten allerdings endgültig die Verwaltungsgerichte zu entscheiden.
Für die Eintragung im Grundbuch sei nicht ausreichend, daß die Abgeschlossenheitsbescheinigung dem Grundbuch noch immer vorliege. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG meine eine wirksame Bescheinigung. Durch die Mitteilung der Baubehörde, daß die Bescheinigung inhaltlich falsch sei, entfalle jedenfalls vorerst ihre Rechtswirkung. Ob die Baubehörde die bauordnungsrechtlichen Vorschriften richtig angewendet habe, könne das Grundbuchamt nicht überprüfen.
Es seien auch keine Umstände erkennbar, die das Grundbuchamt berechtigen könnten, die Kraftloserklärung nicht zu berücksichtigen. Insbesondere sei nicht offenkundig, daß die Kraftloserklärung an einem besonders schwerwiegenden Mangel leide. Die Mitteilung der Gründe für die Kraftloserklärung an das Grundbuchamt sei nicht erforderlich, weil es eine bautechnische Beurteilung nicht vorzunehmen habe. Daß auch bei einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 WEG durch die Eintragung im Grundbuch wirksam Wohnungs- und Teileigentum entstehe, könne eine Nichtbeachtung der Kraftloserklärung nicht rechtfertigen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, daß Wohnungseigentum durch Eintragung im Grundbuch nur dann begründet werden kann, wenn neben dem Eintragungsantrag, einer Teilungserkl...