Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 18.03.1999; Aktenzeichen 120.3-3194.1-03-02/99)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Vergabekammer Südbayern vom 18. März 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.300.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Stadt X betrieb bis Mitte des Jahres 1998 die Wasserversorgung der Bevölkerung im Rahmen eines Eigenbetriebes, der Stadtwerke X. Diese wurden im Jahr 1998 im Wege der Ausgliederung (§§ 168 ff. UmwG) in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt und als solche am 3.9.1998 in das Handelsregister eingetragen. Alleinige Gesellschafterin ist die Stadt. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser. § 18 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, daß die Gesellschaft an Grundsatzbeschlüsse des Stadtrats gebunden ist. Einer dieser Grundsatzbeschlüsse sieht vor, daß bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen der Stadt von den Bietern eine Erklärung zu verlangen ist, wonach diese sich verpflichten, bei der Entlohnung ihrer Arbeitnehmer die in Bayern geltenden Lohntarife einzuhalten und Nachunternehmer entsprechend zu verpflichten.

Die Stadtwerke (im folgenden Vergabestelle) errichten derzeit einen Trinkwasserstollen mit Betriebsbauwerken. Im Januar 1998 veranlaßten sie (noch als Eigenbetrieb) die Bekanntmachung des Bauauftrags für Abschnitt 3 des Vorhabens (geschätzter Auftragswert 126 Mio DM) als nicht offenes Verfahren, u.a. im Supplement des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften vom 30.1.1998. Mit Schreiben vom 4.3.1998 bewarb sich auch die Beteiligte zu 1, eine aus einem Unternehmen mit Sitz in Frankreich und der deutschen Tochter eines anderen französischen Unternehmens bestehende Bietergemeinschaft (im folgenden Antragstellerin). Sie wurde mit weiteren 17 Bewerbern in die Liste zu beteiligenden Firmen aufgenommen.

Mit Schreiben vom 13.10.1998 forderte die Vergabestelle (nunmehr als GmbH) die Bewerber zur Abgabe von Angeboten im nicht offenen Verfahren auf. Als Eröffnungs-/Einreichungstermin war der 19.11.1998 11.15 Uhr angegeben, als Ablauf der Zuschlagsfrist der 24.2.1999. Ferner wurde u.a. die Abgabe der bereits erwähnten Tariftreueerklärung/Nachunternehmererklärung verlangt. Mit Telefax vom 12.11.1998 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, daß zum genannten Eröffnungstermin keine Verlesung der Angebote stattfinde und das Angebot bis 19.11.1998 12.00 Uhr abzugeben sei. Mit Schreiben vom 18.11.1998 reichte die Antragstellerin ein Angebot nebst Tariftreueerklärung ein, das an die „Stadtwerke” adressiert war und sich nach der Amtslösung auf ca. 163,8 Mio DM, nach dem (billigeren) Sondervorschlag auf ca. 144,7 Mio DM belief. Die Angebote wurden am 20.11.1998 eröffnet. Die Antragstellerin lag nach rechnerischer Prüfung an 10. Stelle in der Bieterreihenfolge. Zum Teil waren Angebote abgegeben worden, die deutlich unter der geschätzten Auftragssumme lagen.

Auf Anfrage teilte die Vergabestelle der Antragstellerin am 9.2.1999 mit, daß die Auswertung der Angebote abgeschlossen sei und die Antragstellerin für eine Beauftragung nicht in Frage komme. Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben an die „Stadtwerke” vom 10.2.1999 die Wahl des nicht offenen Vergabeverfahrens, den Verzicht auf einen Eröffnungstermin, die Anforderung einer Tariftreueerklärung und einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot. Die Vergabestelle wies diese Rügen zurück. Das Vergabeverfahren ist bisher nicht durch Zuschlag beendet.

Mit Schreiben vom 12.2.1999 hat die Antragstellerin bei der zuständigen Vergabekammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Sie brachte in diesem Schreiben und in weiteren im Verlauf des Verfahrens vor der Vergabekammer eingereichten Schriftsätzen vor, daß das Vergabeverfahren in folgenden Punkten rechtswidrig durchgeführt worden sei:

  • Die Vergabestelle habe das Verfahren nicht als nicht offenes oder Verhandlungsverfahren durchführen dürfen. Sie sei als hundertprozentige Tochter der Stadt dazu gegründet worden, im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art insbesondere im Bereich der Trinkwasserversorgung zu erfüllen, und damit öffentlicher Auftraggeber im Sinn von § 98 Nr. 2 GWB. Für sie gelte der 3. Abschnitt der VOB/A und somit der Vorrang des offenen Verfahrens. Das Verfahren sei jedoch als nicht offenes Verfahren eingeleitet und anschließend in das Verhandlungsverfahren überführt worden.
  • Als zur Anwendung des 3. Abschnitts der VOB/A verpflichtete Auftraggeberin hätte die Vergabestelle auf die Abhaltung eines Eröffnungstermins (§ 22 N. 1 VOB/A) nicht verzichten dürfen.
  • Die Verpflichtung zur Abgabe der geforderten Tariftreueerklärung verstoße gegen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 59 EGV sowie gegen das Wettbewerbsgebot gemäß § 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A.

Diese Verstöße seien nicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB präkludiert. ...

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