Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiensache. Ergänzungspflegschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet über die Beschwerde gegen einen Beschluß, den das Amtsgericht – Familiengericht – erlassen hat, das Landgericht, so ist eine weitere Beschwerde statthaft, für die in Bayern das BayObLG zuständig ist.
2. Zur Zuständigkeit des Familiengerichts für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.
Normenkette
BGB §§ 1693, 1697, 1909; ZPO §§ 621, 621a, 621e; FGG §§ 27, 29; GVG § 23b Abs. 1, § 119 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Nr. 2; FGG § 28
Verfahrensgang
LG München II (Zwischenurteil vom 13.06.2000; Aktenzeichen 2 T 3343/00) |
AG Miesbach (Zwischenurteil vom 23.05.2000; Aktenzeichen 50 F 106/00) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 13. Juni 2000 aufgehoben.
II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Miesbach vom 23. Mai 2000 wird an das Oberlandesgericht München weitergeleitet.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern des jetzt 10jährigen Beteiligten zu 3. Sie sind verheiratet, leben aber getrennt; der Beteiligte zu 3 wohnt bei seiner Mutter.
Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II führt ein Ermittlungsverfahren gegen den Beteiligten zu 1 wegen des Verdachts der Mißhandlung seines Sohnes. Dieser soll als Zeuge vernommen werden. Auf ihren Antrag vom 24.3.2000 hat das Amtsgericht – Familiengericht – mit Beschluß vom 23.5.2000 Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO” angeordnet und das Amt für Jugend und Familie in Miesbach zum Ergänzungspfleger bestellt. Die Pflegerbestellung ist am 25.5.2000 vom Vormundschaftsgericht vorgenommen worden.
Gegen den Beschluß vom 23.5.2000 hat der Beteiligte zu 1 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt. Dieses hat die Beschwerde dem Landgericht zugeleitet. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 13.6.2000 die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1 beim Landgericht mit Schriftsatz vom 19.6.2000 weitere Beschwerde eingelegt, die das Landgericht dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt hat.
II.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist statthaft und auch ansonsten zulässig. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zuständig, über sie zu entscheiden. Sie ist auch begründet, weil das Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde des Beteiligten zu 1 nicht zuständig war. Sein Beschluß ist daher aufzuheben; die Beschwerde ist an das für die Entscheidung über sie zuständige Oberlandesgericht München – Familiensenat – weiterzuleiten.
1. Auch wenn das Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde des Beteiligten zu 1 nicht zuständig war, weil den angefochtenen Beschluß nicht das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht –, sondern das Amtsgericht – Familiengericht – erlassen hatte (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG), ist die weitere Beschwerde gegen seinen Beschluß statthaft und das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, über sie zu entscheiden.
Der vormundschaftsgerichtliche Instanzenzug ist im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt. Er führt vom Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – über das Landgericht als Beschwerdegericht in Bayern zum Bayerischen Obersten Landesgericht (§§ 19, 27, 28, 199 Abs. 1 FGG, Art. 11 Abs. 3 AGGVG). In Familiensachen, die die elterliche Sorge für ein Kind betreffen (§ 23b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG, § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), bestimmt sich das Verfahren nur insoweit nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, als sich aus der Zivilprozeßordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz nichts besonderes ergibt (§ 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO). § 621e ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Nr. 2 GVG enthalten eine abweichende Sonderregelung des Beschwerde Verfahrens und Instanzenzuges, wenn Endentscheidungen, d. h. die Instanz abschließende Entscheidungen angefochten werden, die in erster Instanz von einem Familiengericht getroffen worden sind (formelle Anknüpfung). Die Sonderregelung des Rechtsmittelverfahrens und -zuges in FGG-Familiensachen geht der Regelung in §§ 27 bis 29 FGG aber nur dann vor, wenn über die Beschwerde tatsächlich das Oberlandesgericht entschieden hat, wie sich aus § 621e Abs. 2, § 133 Nr. 2 GVG ergibt. Sie ist nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar, wenn über die Beschwerde – fälschlich – das Landgericht entschieden hat (Senatsbeschluß vom 10.7.2000 1Z BR 195/99; Pfälz. OLG Zweibrücken FGPrax 1997, 22/23; KG OLGZ 1990, 266/270). Die Rechtsmittelzuständigkeit und das Rechtsmittelverfahren bestimmen sich im Sinn der formellen Anknüpfung danach, welcher Spruchkörper tatsächlich tätig geworden ist (vgl. BGH NJW 1991, 231/232; NJW-RR 1993, 1282; Senatsbeschluß vom 29.2.2000 1Z BR 14/00 s Rpfleger 2000, 268 und vom 10.7.2000 1Z BR 195/99; Brandenburgisches OLG FGPrax 2000, 103; Zöller/Gummer ZPO 21. Aufl. § 119 GVG Rn. 5; Keidel/Kuntze FGG 14. Aufl....