Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Bußgeldbescheid. Regelsatz. Bußgeldkatalog. Regelgeldbuße. Verdoppelung. Fahrverbot. Rettungsgasse. Schuldform. Vorsatz. Fahrlässigkeit. Einspruch. Einspruchsbeschränkung. Hauptverhandlung. Verfahrensvoraussetzung. Verfahrenshindernis. Verjährung. Verfolgungsverjährung. Rechtsfolgenausspruch. Rechtskraft. Tenor. Tenorierung. Tenorneufassung. Schuldspruch. Bezugnahme. Tat. Tatidentität. Begrenzungsfunktion. Verwechslungsgefahr
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Enthält der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob sich dem Bußgeldbescheid die Schuldform entnehmen lässt. Dabei kann auch Beachtung finden, dass die Zentrale Bußgeldstelle im Bay. Polizeiverwaltungsamt in der Regel im Rahmen der Erhöhung der Regelgeldbuße auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweist.
2. Bei einem wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch hat der Tatrichter den Schuldspruch so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte; die bloße Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid genügt nicht (Fortführung von BayObLG, Beschl. v. 12.02.1999 - 1 ObOWi 3/99 bei juris = BeckRS 1999, 15054).
Normenkette
OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 9, § 46 Abs. 1, § 66 Abs. 1 Nr. 3, § 67 Abs. 2, § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 6, § 80a Abs. 1; StPO § 260 Abs. 4, §§ 337, 344 Abs. 2, § 349 Abs. 2, §§ 353, 473 Abs. 1 S. 1; StVG §§ 24-25; StVO § 11 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 11; BKatV § 1 Abs. 2; BKat Nr. 50a
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Entscheidung vom 17.10.2022) |
Tenor
I.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17.10.2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass Ziffer 1. des Urteilstenors des vorgenannten Urteils wie folgt neu gefasst wird:
"Der Betroffene wird nach dem Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt vom 18.05.2022 wegen fahrlässiger unberechtigter Benutzung einer freien Gasse für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen mit einem Fahrzeug auf einer Autobahn zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt."
II.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen erging am 18.05.2022 ein Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, der wegen unberechtigter Benutzung einer freien Gasse für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen mit einem Fahrzeug auf einer Autobahn eine Geldbuße von 480 Euro sowie ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat vorsah. Im Bußgeldbescheid ist ausgeführt, dass die Geldbuße erhöht wurde, da der Betroffene keine Rettungsgasse bildete, sondern diese unberechtigt befuhr. Der Betroffene legte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23.05.2022, eingegangen am 24.05.2022, gegen den am 20.05.2022 zugestellten Bußgeldbescheid Einspruch ein. In der Hauptverhandlung vom 17.10.2022 beschränkte der Betroffene den Einspruch auf die Rechtsfolgen. Das Amtsgericht Aschaffenburg verurteilte den Betroffenen sodann unter Bezugnahme auf den im Schuldspruch rechtskräftigen Bußgeldbescheid zu einer Geldbuße von 240 Euro und verhängte ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und den Eintritt der Verfolgungsverjährung mangels aktenkundiger Verfügung des Erlasses des Bußgeldbescheides geltend macht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 10.01.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat - abgesehen von der unterbliebenen Benennung des Schuldvorwurfs - keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Sie war deshalb nach entsprechender Ergänzung des Schuldspruchs auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
1. Die vom Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge von Amts wegen (vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2019 - 2 Ss OWi 123/19 = BeckRS 2019, 3405 und vom 03.04.2018 - 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr. 5 = BeckRS 2018, 7635; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.02.2010 -1 Ss 5/10 = StraFo 2010, 252 = OLGSt StPO § 302 Nr. 9 = BeckRS 2010, 6117) durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass der Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 18.05.2022 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch...