Leitsatz (amtlich)

Fehlende Beschwerdeberechtigung des Inhabers einer über den Tod hinaus erteilten Generalvollmacht des Erblassers gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 29.03.2004; Aktenzeichen 16 T 1717/04)

AG München (Aktenzeichen 62 VI 1594/02)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LGLG München I vom 29.3.2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der im Alter von 78 Jahren am 5.11.2001 verstorbene Erblasser war mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Diese hat die Erbschaft mit notariell beglaubigter Erklärung vom 11.12.2001 ausgeschlagen.

Mit notarieller Urkunde vom 28.1.2000 hatte der Erblasser der Beteiligten zu 1) Generalvollmacht zur uneingeschränkten Vertretung in allen persönlichen- und Vermögensangelegenheiten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und mit Fortgeltung über den Tod hinaus erteilt.

Ob Abkömmlinge des Erblassers oder sonstige als gesetzliche Erben in Betracht kommende Verwandte vorhanden sind, konnte bisher nicht geklärt werden. Eine die Erbfolge regelnde letztwillige Verfügung des Erblassers liegt nicht vor.

Mit Beschluss vom 6.11.2003 ordnete das Nachlassgericht für die unbekannten Erben des Erblassers Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben an. Zur Nachlasspflegerin wurde die Beteiligte zu 2) bestellt.

Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 6.11.2003 legte die Beteiligte zu 1) Beschwerde ein. Sie ist der Auffassung, auf Grund der ihr vom Erblasser erteilten Generalvollmacht aus eigenem Recht sowie aus den Rechten der unbekannten Erben beschwerdeberechtigt zu sein und macht geltend, es bestehe für eine Nachlasspflegschaft kein Bedürfnis, da sie als Generalbevollmächtigte den Nachlass ohne Einschränkung verwalten könne.

Das LG hat die Beschwerde mit Beschluss vom 29.3.2004 als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG); die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 für das Verfahren der weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG) ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat die Beschwerde wegen fehlender Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, da die Beteiligte zu 1) die Erbschaft ausgeschlagen habe, sei durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung der Beteiligten zu 2) zur Nachlasspflegerin nicht in die Rechtsstellung der Beteiligten zu 1) als Erbin oder Erbprätendentin eingegriffen worden. Auch aus der über den Tod hinaus erteilten Generalvollmacht könne keine Beschwerdebefugnis hergeleitet werden, da die Vertretungsmacht kein subjektives Recht des Bevollmächtigten darstelle. Soweit die Beschwerde nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1) auch für die unbekannten Erben eingelegt sei, fehle es an einer Zustimmung oder Ermächtigung des Rechtsträgers zur Prozessführung. Die Erteilung einer Generalvollmacht durch den Erblasser beinhalte keine Erklärung der Erben, den Bevollmächtigten zur Prozessführung zu ermächtigen.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand. Das LG ist zutreffend von der Unzulässigkeit der Beschwerde ausgegangen, weil die Beteiligte zu 1) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt ist, sich mit der Beschwerde gegen die mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 6.11.2003 erfolgte Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung der Beteiligten zu 2) zur Nachlasspflegerin zu wenden.

a) Gemäß § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die angefochtene Verfügung beeinträchtigt ist. Es genügt nicht, dass die Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers von Einfluss ist und er insofern ein Interesse an ihrer Änderung hat; vielmehr ist stets erforderlich, dass eine unmittelbare Beeinträchtigung eines dem Beschwerdeführer zustehenden subjektiven Rechts vorliegt (BayObLG v. 15.9.2000 - 1Z BR 75/00, FamRZ 2001, 453; BayObLGZ 1998, 82 [84]; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 20 Rz. 12; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 20 Rz. 4).

b) Durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung der Beteiligten zu 2) zur Nachlasspflegerin (§ 1960 BGB) ist nicht in die Rechtstellung der Beteiligten zu 1) eingegriffen worden. Nachdem die Beteiligte zu 1) die Erbschaft ausgeschlagen hat, ist sie von der Nachlasspflegschaft weder als Erbin noch als Erbprätendentin betroffen (§ 1953 Abs. 1 BGB).

c) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des LG, dass aus der Generalvollmacht über den Tod hinaus, welche der Erblasserin von dem Erblasser erteilt worden ist, keine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) hergeleitet werden kann.

aa) Der Senat hält i...

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